nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Amtshaftung u. BauR. Haftung für zu Unrecht erteilte Baugenehmigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verletzt die Baugenehmigungsbehörde ihre Pflicht, ein gegen das Rücksichtsnahmegebot des § 15 BauNVO verstoßendes Bauvorhaben nicht zu genehmigen, so trifft sie dennoch keine Haftung nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG, wenn der Bauherr die Unzulässigkeit des Bauvorhabens grob fahrlässig nicht erkannt hat.

2. Der vom Bundesgerichtshof entwickelte Grundsatz, dass das Baugenehmigungsverfahren nicht dazu dient, dem Bauherrn die Verantwortung für die einwandfreie Durchführung und Durchführbarkeit seines Bauvorhabens abzunehmen (BGHZ 39, 358), ist auch dann heranzuziehen, wenn die Genehmigung im Hinblick auf § 15 BauNVO von der Prüfung immissions- und nachbarschutzrechtlicher Aspekte abhängig ist, die der Bauherr auf Grund seiner größeren Sachnähe und Fachkompetenz erheblich besser beurteilen kann als die Baugenehmigugnsbehörde.

3. Soweit der Bauherr hiernach mit Amtshaftungsansprüchen ausgeschlossen ist, stehen ihm auch keine Ansprüche auf Entschädigung gemäß §§ 39, 40 OBGNW zu.

 

Normenkette

GG Art. 34; BGB § 839; BauNVONW § 15; OBGNW § 39; OBGNW § 40

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 5 O 230/97)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 24.03.1998 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 5 O 230/97 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung i.H.v. 100.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit kann beiderseits auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz in Zusammenhang mit der Genehmigung eines Bauvorhabens in Anspruch.

Die Klägerin (vormals P.-Einkaufszentrum GmbH & Co. N. KG) erwarb im Februar 1994 ein rund 5000 qm großes, im Ortszentrum von N. gelegenes Areal, das sie in den Jahren 1995 bis 1997 mit einem Einkaufszentrum bebaut hat. Die Gemeinde N., von der sie den überwiegenden Teil des Grundbesitzes ankaufte, unterstützte das Bauvorhaben in planungsrechtlicher Hinsicht, indem sie den für das Gebiet maßgebenden Bebauungsplan Nr. 47 im Bauvoranfrageverfahren abänderte und damit den Plänen der Klägerin anpasste.

Als zuständige Bauordnungsbehörde erteilte der Beklagte der Klägerin am 10.03.1995 eine Teilbaugenehmigung für Erdarbeiten und am 23.05.1995 die Baugenehmigung für das Gesamtvorhaben.

Das Bauvorhaben stieß auf den Widerstand des Nachbarn S., der Eigentümer eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks auf der dem Einkaufszentrum gegenüber liegenden Seite der M.straße ist. Er legte am 04.07.1995 Widerspruch gegen die Baugenehmigung ein und beantragte beim Verwaltungsgericht Köln den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Bauarbeiten stillzulegen. Er rügte eine Verletzung des § 6 BauO (Abstandsflächen) sowie des § 15 BauNVO (Rücksichtnahmegebot). Auf Antrag der Klägerin ordnete der Beklagte daraufhin mit Bescheid vom 01.08.1995 – teilweise – die sofortige Vollziehung der Baugenehmigung an (Bl. 55 ff. der beigezogenen Akte 2 L 1347/95 VG Köln).

Das Verwaltungsgericht stellte mit Beschluss vom 31.08.1995 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder her und verpflichtete den Beklagten, die Baustelle unverzüglich stillzulegen. In den Gründen des Beschlusses bejahte es einen Verstoß sowohl gegen § 6 BauO wie auch gegen § 15 BauNVO. Die Voraussetzungen für das von der Klägerin in Anspruch genommene sogenannte Schmalseitenprivileg gemäß § 6 Abs. 6 BauO lägen nicht vor, da die Abstandsflächen bereits auf zwei anderen Seiten des Grundstücks, wo das teilweise bis an die Grundstücksgrenzen reichende Parkdeck aus dem Geländeniveau herausrage, nicht eingehalten seien. Auch sei das Gebot der Rücksichtnahme verletzt, weil die zugunsten des Nachbarn zu beachtenden Anforderungen an den Lärmschutz nicht erfüllt seien. Entgegen den Feststellungen des dazu von der Klägerin eingeholten Sachverständigengutachtens werde der einzuhaltende Immissionsrichtwert von 55 dB(A) durch die Verladevorgänge in dem an die M.straße grenzenden und dem Nachbarn S. unmittelbar gegenüberliegenden Teil des Bauwerks (sog. Andienung) überschritten.

Gegen den Beschluss legten die im Verwaltungsgerichtsverfahren beigeladene Klägerin und der Beklagte Beschwerde ein, wobei die Klägerin, um den Verstoß gegen § 6 BauO auszuräumen, auf die Errichtung des davon betroffenen Hauses 3 verzichtete. Das Oberwaltungsgericht wies die Beschwerden mit Beschluss vom 14.11.1995 zurück. Es bejahte wegen der immissionsintensiven Vorgänge im Bereich der sog. Andienung und der unmittelbar daneben gelegenen Müllsammelstelle ebenfalls eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots gem. § 15 BauNVO.

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