Leitsatz (amtlich)
Der Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld II stellt keinen Erwerbsschaden i.S.v. § 842 BGB dar.
Normenkette
BGB § 842; SGB II § 19
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 13.06.2008; Aktenzeichen 30 O 410/07) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 30. Zivilkammer des LG Köln - Einzelrichter - vom 13.6.2008 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin ist eine Rentenversicherungsträgerin. Sie verlangt von der Beklagten, einer Kfz-Haftpflichtversicherung, den Ersatz einer Erwerbsunfähigkeitsrente nebst Beiträgen zur Rentenversicherung, die sie an ihren Versicherungsnehmer, Herrn X., zahlt bzw. für ihn aufbringt. Herr X. wurde am 13.4.2001 bei einem Verkehrsunfall verletzt, für den die Beklagte zu 100 % einstandspflichtig ist. Herr X. ist Jordanier, der im Jahr 1993 nach Deutschland kam und seit dem 17.2.2005 erneut in Jordanien lebt. Im Zeitpunkt des Unfalls bezog er Arbeitslosengeld.
Hinsichtlich des Weiteren Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen. Das LG hat die Klage zugesprochen, soweit es Renten und Rentenbeiträge bis zum 17.2.2005 betrifft. Für die Zeit danach hat es Ansprüche der Klägerin verneint, weil es an einem Erwerbsschaden des Herrn X. fehle. Die Klägerin habe nicht belegt, dass die Ausreise, durch die Herr X. einen ohne den Unfall bestehenden Anspruch auf Arbeitslosengeld II verloren hätte, allein auf dem Unfall beruhe.
Mit der am 16.7.2008 eingelegten und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.9.2008 durch einen am 22.8.2008 beim OLG eingegangenen Schriftsatz begründeten Berufung gegen das am 20.6.2008 zugestellte Urteil des LG Köln vom 13.6.2008 erstrebt die Klägerin dessen Aufhebung. Sie vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag zu den Lebensumständen des Herrn X. und ist der Ansicht, aus diesen folge, dass er ohne den Unfall nicht nach Jordanien zurückgekehrt wäre. Zudem trägt sie - insoweit unwidersprochen - vor, der Bescheid über die dauerhafte Erwerbsunfähigkeitsrente sei erst Ende 2004 ergangen. Sie behauptet, im Januar 2005 habe Herr X. sich bei ihr erkundigt, ob er auch im Falle eines Umzugs nach Jordanien weiter Rente erhalte und wie hoch diese sei. Anfang Februar 2005 habe sie ihm dies formell bestätigt, worauf er nur wenige Tage später ausgewandert sei.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.258,87 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.2.2006 abzgl. am 22.7.2008 gezahlter 893,97 EUR zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr die Aufwendungen zu ersetzen, die sie - über Ziff. 1 hinaus - ab dem 1.1.2007 aus Anlass des Unfalls des Herrn X. vom 13.4.2001 zu gewähren hat, soweit diese Aufwendungen durch gem. §§ 116, 119 SGB X übergegangene Schadensersatzansprüche gedeckt sind.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das Urteil. Insbesondere der Umstand, dass Frau und Kind des Herrn X. in Jordanien lebten, spreche dafür, dass er ohnehin dorthin zurückgekehrt wäre. Die Ausreise habe mit dem Unfall nichts zu tun, was schon aus dem Umstand folge, dass sie erst vier Jahre später geschah.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Urkunden und Unterlagen sowie die tatsächlichen Feststellungen des LG aus dem Urteil vom 13.6.2008 ergänzend Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das LG einen Erwerbsschadensersatzanspruch des Herrn X., der auf die Klägerin als Rentenversicherungsträgerin übergegangen sein könnte, für die Zeit nach dem 17.2.2005 verneint.
1. Die Klägerin hat Herrn X. in dieser Zeit eine Erwerbsunfähigkeitsrente gezahlt, die an die Stelle von Arbeitslosengeld II getreten ist, das der Geschädigte ohne den Unfall hätte beziehen können. Es kann offen bleiben, ob die nach §§ 252 BGB, 287 ZPO zu treffende Prognoseentscheidung zum Ergebnis führt, dass ohne den Unfall sämtliche Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II vorgelegen hätten, insbesondere ob sich Herr X. weiterhin in Deutschland aufgehalten hätte (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II). Denn der Verlust eines etwa bestehenden Anspruchs auf Arbeitslosengeld II stellt keinen Erwerbsschaden i.S.v. § 842 BGB dar.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass sowohl das Arbeitslosengeld als auch die Arbeitslosenhilfe nach dem bis zum 31.12.2004 geltenden Recht (zunächst §§ 100 ff./134 ff. AFG, sodann §§ 117 ff....