Verfahrensgang

LG Aachen (Urteil vom 11.01.2007; Aktenzeichen 12 O 336/06)

 

Tenor

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das am 11. Januar 2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Aachen teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Anschlußberufung des Klägers gegen das genannte Urteil des Landgerichts Aachen wird zurückgewiesen.

Die Kosten beider Instanzen des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

(gemäß § 540 Absatz 1 Satz 1 ZPO anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen)

1.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der I + J Gastronomie GmbH (im folgenden: Schuldnerin). Die Schuldnerin unterhielt einen Gastronomiebetrieb in der L-Straße 7 in B. Gegenüber dem beklagten Land bestanden Steuerrückstände. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin wurde aufgrund eines Antrages des Finanzamts B-Innenstadt vom 2. Dezember 2002 durch Beschluß des Amtsgerichts Aachen vom 4. März 2003 eröffnet.

Im Auftrage des Finanzamts hatte dessen Vollziehungsbeamter, der Zeuge T, am 22. März, am 4. und 26. Juli sowie am 1. August 2002 das Lokal der Schuldnerin in der L-Straße 7 aufgesucht. Am 22. März sowie am 4. und 26. Juli 2002 zahlte die Schuldnerin an ihn EUR 500,--, EUR 1.000,-- und EUR 1.500,--. An den beiden Tagen im Juli 2002 durchsuchte er ausweislich seiner Vollstreckungsprotokolle jeweils anschließend die Geschäftsräume, ohne weitere Gegenstände zu pfänden. Am 1. August 2002 durchsuchte er die Geschäftsräume wiederum; an diesem Tag pfändete er EUR 3.000,--. Nach den Vollstreckungsprotokollen wurde die Durchsuchung jeweils freiwillig gestattet.

Der Kläger hat geltend gemacht, bei den genannten Vorgängen handele es sich um anfechtbare Rechtshandlungen, so daß das beklagte Land verpflichtet sei, aufgrund der mit der Klage geltend gemachten Insolvenzanfechtung die erlangten Beträge von zusammen EUR 6.000,-- zur Insolvenzmasse zu erstatten. Er hat beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an ihn EUR 6.000,-- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Februar 2005 zu zahlen.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, da die Schuldnerin keine andere Wahl gehabt habe als an den Vollstreckungsbeamten zu zahlen, seien die Anfechtungsvoraussetzungen nicht erfüllt.

Das Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme das beklagte Land durch das angefochtene Urteil zur Zahlung von EUR 3.000,-- nebst Zinsen an den Kläger verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen. Es hat im wesentlichen ausgeführt, bei den Zahlungen von zusammen EUR 3.000,-- im März und Juli 2002 handele es sich um der Anfechtung nach § 133 InsO unterliegende Leistungen der Schuldnerin, während die Kassenpfändung vom 1. August 2002 als Vollstreckungsmaßnahme nicht anfechtbar sei.

Gegen die Verurteilung zur Zahlung von EUR 3.000,-- nebst Zinsen wendet sich das beklagte Land mit der Berufung, mit der es geltend macht, es fehle auch in den Fällen vom März und Juli 2002 an einer anfechtbaren Rechtshandlung, weil die Schuldnerin nur die Wahl gehabt habe, die geforderten Gelder an den Vollziehungsbeamten zu zahlen oder seinen Vollstreckungszugriff zu dulden. Der Kläger verteidigt in diesem Punkt das angefochtene Urteil, ist aber der Auffassung, auch bei der Maßnahme vom 1. August 2002 liege eine anfechtbare Rechtshandlung der Schuldnerin vor, nachdem (auch) an diesem Tage die Durchsuchung freiwillig gestattet worden sei. Der Kläger erstrebt mit der von ihm eingelegten Anschlußberufung die Verurteilung des beklagten Landes zur Zahlung weiterer EUR 3.000,-- nebst Zinsen.

Von der Darstellung der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß den §§ 313 a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

2.

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des beklagten Landes ist begründet. Die zulässige Anschlußberufung des Klägers bleibt dagegen in der Sache ohne Erfolg. Die Klage ist insgesamt unbegründet.

Der Kläger kann von dem beklagten Land nicht nach § 143 Abs. 1 InsO die Rückzahlung der erlangten Beträge von zusammen EUR 6.000,-- verlangen, weil es in allen vier oben unter Ziff. 1 genannten Fällen jeweils an einer anfechtbaren Rechtshandlung der Schuldnerin im Sinne von § 133 Abs. 1 InsO - nur diese Bestimmung kommt im Streitfall überhaupt in Betracht - fehlt.

Nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Frage der Anfechtung von Zahlungen, die zur Abwendung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erbracht werden (vgl. BGHZ 162, 143 [152] = NZI 2005, 215; BGH NZI 2006, 159), ist eine Rechtshandlung im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO nur gegeben, wenn ein verantwortungsgesteuertes Verhalten gerade des Schuldners vorliegt. Wie den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits aus den Beschlüssen des Senats vom 17. August 2006 - 2 U 63/06 - und vom 12. März 2007 - 2 U 129/06 - bekannt ist, folgt der Senat dieser Rechtsprechung un...

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