Entscheidungsstichwort (Thema)

Kulthandtaschen - Markenmäßige Benutzung und wettbewerbliche Eigenart von Handtaschen -

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Behauptung, in der Form einer an sich bekannten Handtasche (hier: Kelly-Bag) erkenne der Verkehr nach einer Überschwemmung mit Imitaten keinen Herkunftshinweis mehr, kann angesichts der sich im Modebereich rasch ändernder Verkehrsauffassung nicht mit Imitatverkäufen belegt werden, die 10-15 Jahre vor der Markeneintragung stattgefunden haben. Hinsichtlich der aktuellen Lage sind Angaben zu Verkaufsstückzahlen in Relation zum Gesamtabsatz im Marktsegment erforderlich.

2. Bei der Ermittlung des Schutzumfangs einer Registermarke ist bei Abweichungen zwischen der angemeldeten und der eingetragenen Markengestaltung die eingetragene Gestaltung zugrundezulegen (im Anschluss an BGH GRUR 2005, = BGH v. 22.9.2005 - I ZR 188/02, BGHReport 2006, 42 = WRP 2005, 1521, 1523 - Dentale Abformmasse).

Ist im Eintragungsverfahren einer die äußere Form einer Damenhandtasche aufweisenden dreidimensionalen Marke der besonderen Ausgestaltung eines Vorhängeschlosses entscheidende Bedeutung zur Überwindung der Eintragungshindernisse beigemessen worden, die aber in der veröffentlichten Eintragung nicht auszumachen ist, so kann im Verletzungsprozess auf diese Besonderheiten des Vorhängeschlosses nicht abgestellt werden. Das gilt auch bei der Ermittlung der Zeichenähnlichkeit.

3. a) Die Gefahr einer Herkunftstäuschung i.S.d. § 4 Nr. 9a UWG besteht nicht, wenn dem Verkehr die gleichzeitige Existenz vom Original und dessen Kopien (hier: Handtasche Birkin) bekannt ist, er deshalb an eine sorgfältige Prüfung der Herkunft bei der Kaufentscheidung gewohnt ist und überdies das Original nur in besonders gekennzeichneten Verkaufsstätten erhältlich ist.

b) Die - nahezu - identische Nachahmung eines Luxusproduktes, das den Ruf eines besonderen modischen Prestigeobjektes genießt, stellt eine unangemessene Ausnutzung seiner Wertschätzung (§ 4 Nr. 9b UWG) dar, wenn das das Imitat wahrnehmende Publikum über dessen Echtheit getäuscht werden kann und der Kaufinteressent dadurch zu einem Kauf des Imitats verleitet wird.

 

Normenkette

MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2; UWG § 4 Nrn. 9a, 9b

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 03.06.2005; Aktenzeichen 81 O 103/04)

 

Tenor

I. Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Klägerin wird das am 3.6.2005 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Köln - 81 O 103/04 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, Damen-Handtaschen wie nachstehend abgebildet - auch in anderen Farben oder aus anderem Leder bzw. Oberflächenmaterial - feilzuhalten, anzubieten, zu bewerben und/oder sonst in den Verkehr zu bringen:

(1) ...

(2) ...

2. Die Beklagten werden weiter verurteilt, der Klägerin

a) Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie seit dem 28.1.2004 Handlungen gemäß vorstehend Ziff. 1. vorgenommen haben, und zwar unter Vorlage eines Verzeichnisses, aus welchem - gegliedert nach Kalendermonaten - Werbeaufwand (unter Nennung der Werbeträger, der Auflage, der Erscheinungszeit, des Verbreitungsraums und der Werbekosten), Lieferzeiten, Lieferorte, Liefermengen und Umsätze sowie Gewinne unter Benennung und Bezifferung aller Kostenfaktoren ersichtlich sind;

b) betreffend den Zeitraum ab dem 28.1.2004 Angaben zu machen

aa) über den Bezug der Taschen gemäß vorstehend Ziff. 1., und zwar unter Angabe von Name und Anschrift des jeweiligen Herstellers und/oder Lieferanten, Bezugszeitpunkt und Bezugsmenge und unter Vorlage entsprechender Bezugsbelege und Lieferscheine oder Rechnungen,

bb) über den Weitervertrieb der Taschen gemäß vorstehend Ziff. 1. an gewerbliche Abnehmer (Wiederverkäufer), und zwar unter Angabe von Name und Anschrift des jeweiligen gewerblichen Abnehmers, Vertriebszeitpunkt und Vertriebsmenge und unter Vorlage entsprechender Verkaufsbelege und Lieferscheine oder Rechnungen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, den diese durch die unter vorstehend Ziff. 1. genannten Handlungen seit dem 28.1.2004 erlitten hat oder erleiden wird.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben die Klägerin zu 36 % und die Beklagten zu 64 % zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die jeweils gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheitsleistung beträgt hinsichtlich der Unterlassungsverpflichtung 50.000 EUR, hinsichtlich der Auskunftsverpflichtung 10.000 EUR sowie hinsichtlich der Kosten 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrage...

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