Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 26.11.2010; Aktenzeichen 82 O 12/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Köln vom 26.11.2010 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 20.5.2010 gefassten Beschlüsse zu Punkt 3 der Tagesordnung, wonach dem Aufsichtsratsmitglied C für das Geschäftsjahr 2009 Entlastung erteilt wird, und zu Punkt 4a) der Tagesordnung, wonach C bis zur Beendigung der Hauptversammlung, die über die Entlastung der Aufsichtsratsmitglieder für das Geschäftsjahr 2014 beschließt, in den Aufsichtsrat gewählt wird, werden für nichtig zu erklärt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die jeweils andere Partei gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die die Zwangsvollstreckung betreibende Partei zuvor Sicherheitsleistung i.H.v. 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einiger Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 20.5.2010, deren Aktionärin die Klägerin ist. Hintergrund dieses Streits ist die Auffassung der Klägerin, dass der stufenweise Erwerb der Mehrheitsbeteiligung der Beklagten an der D GmbH (künftig: D) von der E. in den Jahren 2004, 2006 und 2007 auf einer Pflichtverletzung von Herrn C, des Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten, und F, Aufsichtsratsmitglied der Beklagten bis zur Niederlegung am 30.4.2010, beruhe. Beide waren zum Zeitpunkt des Anteilserwerbes an der D durch die Beklagte Komplementäre der E. Hierzu hatte die Klägerin in der Hauptversammlung der Beklagten Anträge auf Bestellung eines Sonderprüfers und eines besonderen Vertreters gestellt (TOP 13 und 14), die jedoch keine Mehrheit fanden und die nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits sind.
Die Hauptversammlung der Beklagten am 20.5.2010 hatte u.a. folgende Tagesordnungspunkte:
TOP 2: Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands
TOP 3: Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats
TOP 4: Wahlen zum Aufsichtsrat
Sie begann um 10.01 Uhr. Nach Berichten von Vorstand und Aufsichtsrat erfolgte seit 12.30 Uhr die Generaldebatte. Darin wurden von verschiedenen Aktionären insgesamt über 200 Fragen gestellt. Um 19.20 Uhr teilte der Aufsichtsratsvorsitzende mit:
"Ich habe den Eindruck, es sind noch einige, noch etwa 40 oder 30 Fragen offen." (S. 177 des von der Beklagten als Anlage B 2 zum Schriftsatz vom 17.8.2010 zur Akte gereichten stenografischen Wortprotokolls; Bl. 313 AnlH)
Nach einem weiteren Redebeitrag eines Aktionärs stellte der Aufsichtsratsvorsitzende dann um 19.21 Uhr fest:
"Ich höre gerade von der Hinterbühne, dass keine offenen Fragen mehr da sind. Meine Damen und Herren, wir haben aus unserer Sicht sämtliche Fragen beantwortet. Sollten Sie der Ansicht sein, dass einzelne Ihrer Fragen nicht beantwortet worden sind, haben Sie jetzt die Gelegenheit, diese dem Notar zu Protokoll zu geben ... Ich gebe Ihnen etwa 10 bis 15 Minuten Zeit." (Anlage B 2, S. 178; Bl. 313R AnlH)
Eine Reihe von Aktionären machte von der Möglichkeit, die aus ihrer Sicht unbeantworteten Fragen zu Protokoll zu geben, bis 19.40 Uhr Gebrauch, darunter auch Herr Knoesel, der beantragte, sämtliche gestellte Fragen als nicht beantwortet zu protokollieren (S. 23 des als Anlage B 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 17.8.2010 zur Akte gereichten notariellen Protokoll; Bl. 34 ff. AnlH). Um 19.44 Uhr setzte der Aufsichtsratsvorsitzende die Hauptversammlung wie folgt fort:
"Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich stelle fest, dass im Moment keine weiteren Fragen mehr zu Protokoll gegeben werden sollen. Bei Bedarf steht der Notar dafür selbstverständlich gern zur Verfügung. Ich schließe hiermit die Generaldebatte zu den Punkten 1 bis 14 der Tagesordnung." (Anlage B 2, S. 179; Bl. 314 AnlH)
In der Generaldebatte waren u.a. folgende fünf Fragen gestellt worden, deren mangelhafte Beantwortung im Rahmen dieses Rechtsstreits gerügt wird:
1) Frage des Aktionärs W
"Im Handelsblatt war zu lesen, dass Sie - Herr G (d.i. ein Vorstandsmitglied der Beklagten) jetzt persönlich angesprochen, Differenzen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden C haben, insbesondere was die Behandlung von Kundenbeschwerden im Bereich der Fonds angeht. Was ist davon zu halten? Nehmen Sie bitte zu diesem Artikel Stellung, der Ihnen sicherlich bekannt ist.
Wie kann es eigentlich sein, dass sich der Aufsichtsratsvorsitzende offenbar so direkt in operative Geschäfte einmischt? Besteht ein Zusammenhang damit, dass diese Geschäfte und diese Kunden ehemals aus dem Hause E über die D zu uns gekommen sind, oder was ist der Hintergrund für einen direkten Kontakt in dieser Frage zwischen dem Vorstand G und dem Aufs...