Tenor

Auf die Berufungen beider Parteien und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung des Klägers sowie unter Berücksichtigung der Klageänderung und -erweiterung sowie der übereinstimmenden Erledigungserklärung wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 16.12.2022 (Az. 20 O 758/21) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass folgende Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Kranken-/ Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer KV N07 bis zum 28.02.2021 unwirksam waren:

a) im Tarif Z. die Erhöhung zum 01.04.2017 um 69,62 EUR monatlich,

b) im Tarif FG. IA. die Erhöhung zum 01.04.2017 um 0,27 EUR monatlich.

2. Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages aus den folgenden Erhöhungen des Monatsbeitrags in den folgenden Zeiträumen verpflichtet war:

a) im Tarif Z. die Erhöhung zum 01.04.2017 um 69,62 EUR in der Zeit vom 01.01.2020 bis zum 31.03.2020,

b) im Tarif FG. IA. die Erhöhung zum 01.04.2017 um 0,27 EUR in der Zeit vom 01.01.2020 bis zum 28.02.2021.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 212,64 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.08.2023 zu zahlen.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie bis zum 21.08.2023 aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger auf die unter 2) aufgeführten Beitragserhöhungen in den dort genannten Zeiträumen gezahlt hat.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz hat der Kläger zu tragen.

7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

8. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. - ohne Tatbestand gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO -

II. Die zulässige Berufung des Klägers, mit der er die Klage erweitert hat, hat in der Sache nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die zulässige Berufung der Beklagten, mit der sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung und zur Auskunftserteilung wehrt, ist hinsichtlich der Verurteilung zur Auskunft in der Sache nicht mehr zu bescheiden, nachdem die Parteien die Auskunftsklage übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Die verbliebene Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.

1. Berufung des Klägers

a) Die Berufung des Klägers ist zulässig. Die für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderliche Mindestbeschwer von 600,- EUR ist bereits durch die Berufung gegen die teilweise Abweisung des erstinstanzlich gestellten Klageantrages zu 1) (Beschwer: 1.049,79 EUR) erreicht. Bei dieser Sachlage ist nicht zu prüfen, inwieweit die Berufung in Bezug auf den - jetzt nicht mehr weiterverfolgten - Klageantrag zu 3) (unbestimmter Leistungsantrag) zulässig wäre (s. dazu - bejahend - die Senatsurteile vom 19.09.2023 in den Verfahren 9 U 156/22, 9 U 220/22, 9 U 231/22 und 9 U 262/22). Der Kläger kann die nunmehr vorgenommene Konkretisierung und Bezifferung hinsichtlich der neu angeführten Beitragsanpassungen jedenfalls im Rahmen einer Erweiterung der zulässig eingelegten Berufung verfolgen. Es unterliegt grundsätzlich keinen prozessualen Bedenken, wenn der in erster Instanz ganz oder teilweise unterlegene Kläger in zulässiger Weise Berufung einlegt und dieses zulässig eingelegte Rechtsmittel zugleich zu einer Erweiterung der Klage nutzt (vgl. BGH, Beschl. v. 29.09.2011 - IX ZB 106/11 -, VersR 2012, 75, juris Rn. 7; BGH, Urt. v. 06.11.1986 - IX ZR 8/86 -, VersR 2987, 411, juris Rn. 32). So liegt es hier.

Prozessuale Bedenken gegen die Klageänderung bzw. -erweiterung bestehen nicht.

Die Umstellung in zweiter Instanz ist - mag sie auch schon in erster Instanz möglich gewesen sein - nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO verspätet, denn eine Klageänderung ist kein Angriffs- oder Verteidigungsmittel im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO (BGH, NJW 2017, 491).

Die Klageänderung ist - wenn man hier nicht § 264 Nr. 2 ZPO anwenden will - jedenfalls nach § 533 ZPO gerechtfertigt. Sie ist sachdienlich, weil sie den Streit zwischen den Parteien erledigt und sie kann auch auf Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat (§ 533 Nr. 2 ZPO). Zu Letzterem gilt, dass die Beitragsanpassungen der betroffenen Jahre schon, wenn auch in allgemein gehaltener Form, Gegenstand des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien waren (Bl. 5, 9 f., Bl. 806 ff. eA LG) und - auch wenn der Vortrag für das Landgericht nicht entscheidungserheblich war - in die Berufungsinstanz gelangt ist (vgl. BGH, NJW-RR 2012, 429, juris-Rz. 11). Insbesondere steht der Annahme der Sachdienlichkeit nicht entgegen, dass die Bezifferung bzw. Konkretisierung aufgrund der mit der Klageerwiderung erfolgten Auskunft der Beklagten schon erstinstanzlich möglich gewesen wäre, denn die Zulassung in der Berufungsinstanz vermeidet einen neuen Prozess (vgl. BGH, NJW-RR 1994, 1143, juris Rz. 26; NJW-RR 1990, 505, j...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge