Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbstbestimmungsaufklärung
Leitsatz (amtlich)
Im Jahre 1999 war das Risiko, infolge einer Sigmaresektion eine Störung der Ejakulationsfähigkeit (Anejakulation) zu erleiden, weder bekannt noch war es Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion. Dieses Risiko war deshalb auch nicht aufklärungspflichtig.
Normenkette
BGB §§ 280, 823
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 11.10.2006; Aktenzeichen 25 O 323/02) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 11.10.2006 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des LG Köln - 25 O 323/02 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen des früheren Klägers L. (Patient) dessen vermeintliche Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten wegen einer im September 1999 durchgeführten Bauchoperation geltend. Der Patient wurde am 15.9.1999 wegen Verdachts auf eine perforierte Appendizitis einer Laparoskopie im Klinikum der Beklagten zu 1. unterzogen. Operateur war der Beklagte zu 2. Da die weitere Diagnostik den Verdacht auf eine perforierte Divertikulose ergab, schloss sich am 28.9.1999 eine Sigmaresektion mittels Bauchschnitts an. Der Patient hat behauptet, es sei infolge fehlerhaften operativen Vorgehens zu einem Verlust seiner Ejakulationsfähigkeit gekommen. Er sei auch nicht darüber aufgeklärt worden, dass solche Folgen eintreten könnten. In Kenntnis des Risikos hätte er jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt nicht in die Operation eingewilligt.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilten, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld aus der Behandlung vom September 1999 zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 25.565 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz, mindestens verzinslich jedoch mit 8 %, seit dem 28.9.1999, spätestens seit dem 1.5.2000,
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtliche künftigen immateriellen sowie alle vergangenen und künftigen materiellen Schäden, die ihm aus der fehlerhaften Behandlung vom September 1999 entstanden sind bzw. entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie sind den Vorwürfen entgegengetreten.
Das LG hat, sachverständig beraten, die Klage abgewiesen, weil schadensursächliche Behandlungsfehler nicht bewiesen seien. Eine Aufklärung über das Risiko einer möglichen Störung der Sexualfunktion sei nicht erforderlich gewesen, weil dieses Risiko als Folge einer Operation der streitgegenständlichen Art in der medizinischen Wissenschaft damals unbekannt gewesen sei.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er sein Klageziel unverändert weiter verfolgt. Er rügt unzureichende Sachaufklärung. Entgegen der Meinung des Sachverständigen sei es sehr wohl vermeidbar zur Schädigung von Nerven gekommen. Wenn indessen wider Erwarten keine Behandlungsfehler festzustellen sein sollten, habe ein Risiko bestanden, über das habe aufgeklärt werden müssen.
Die Beklagten treten der Berufung entgegen und verteidigen das angefochtene Urteil.
Der Senat hat Beweis erhoben durch die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und mündliche Anhörung des Sachverständigen. Wegen des Ergebnisses wird auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K vom 7.3.2008 und das Sitzungsprotokoll vom 30.7.2008 verwiesen.
II. Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht gerechtfertigt. Auch nach der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sind schadensursächliche Behandlungsfehler nicht bewiesen. Das gereicht dem Kläger zum Nachteil, denn er trägt für die anspruchsbegründenden Tatsachen die Beweislast.
Der Sachverständige hat auf der Grundlage der insoweit aussagekräftigen Dokumentation festgestellt, dass bei dem Patienten damals eine komplizierte Divertikulitis des Sigmas mit Perforation und Eiteransammlung im Unterbauch, einer Abszesshöhle im Mesenterium des Sigmas und ausgeprägten entzündlichen Veränderungen der Umgebung als Folge der fibrinösen Peritonitis, die auch eine Dünndarmschlinge einbezogen hatte, vorgelegen habe. Dies habe eine lebensbedrohliche Erkrankung dargestellt und dringend in der Weise wie geschehen, nämlich durch Entfernung des Divertikel tragenden Sigmasegments einschließlich des im Gekröse des Darms vorhandenen Abszesses therapiert werden müssen. Es seien weder prä- noch intraoperative Fehler festzustellen. Diese Darlegungen überzeugen, stehen im Einklang mit der erstinstanzlich durchgeführten Begutachtung und werden überdi...