Leitsatz (amtlich)

Zur Anerkennungsfähigkeit einer bangladeschischen Privatscheidung im Inland bei (auch) deutscher Staatsangehörigkeit eines Ehegatten.

 

Normenkette

FamFG Art. 107 Abs. 1, 5, 7; EGBGB Art. 14 Abs. 1; EGBGB a.F. Art. 17 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

1. Der Antrag auf Abänderung der Entscheidung des Präsidenten des OLG München vom 10.12.2012 wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt die Anerkennung einer ausländischen Privatscheidung im Inland.

Die Beteiligten schlossen am 19.1.2003 beim Standesamt der Dhaka City Corporation (Bangladesch) die Ehe. Seit ihrer Geburt waren die Eheleute bangladeschische Staatsangehörige muslimischen Glaubens. Der Ehemann erwarb im November 2007 mit Einbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit. Er hatte nach seinen Angaben bereits im Herbst 2010 und hat auch heute noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Dhaka (Bangladesch). Der letzte gemeinsame Aufenthalt der Eheleute war hingegen in Ingolstadt, wo die Ehefrau auch derzeit wohnhaft ist.

Der Antragsteller sprach am 13.10.2010 die Scheidung der Ehe ohne Beteiligung der Ehefrau nach islamischem Recht aus. Die Scheidung wurde mit diesem Tag im Standesamt der Dhaka City Corporation (Bangladesch) vermerkt und am 24.1.2011 im Buch 2/6 VOI 2/6 Nr. B Seite 12/2010 eingetragen.

Am 9.8.2012 hat der Antragsteller bei der zuständigen Landesjustizverwaltung die Anerkennung der Entscheidung nach § 107 FamFG beantragt. Der Präsident des OLG hat mit Entscheidung vom 10.12.2012 den Antrag zurückgewiesen. Begründet wird dies im Wesentlichen damit, dass es sich bei dem ausländischen Akt zwar um eine Entscheidung im Sinne von § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG handle, die Anerkennung jedoch deshalb ausgeschlossen sei, weil der Privatscheidung § 1564 Abs. 1 BGB entgegenstehe. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB sei nicht anwendbar, weil die deutsche Staatsangehörigkeit des Ehemannes vorgehe. Wegen der Aufenthaltsverhältnisse der Eheleute komme nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB deutsches Recht zur Anwendung. Auch nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB sei nicht das Recht von Bangladesch anwendbar. Eine Rechtswahl (Art. 14 Abs. 3 EGBGB) sei nicht getroffen worden.

Gegen diese seinem Bevollmächtigten am 13.12.2012 zugestellte Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit seinem am 10.1.2013 eingegangenen und mit Schriftsatz vom 13.2.2013 begründeten Gesuch. Er meint, die Anerkennungsvoraussetzungen lägen vor. Art. 17 Abs. 1 Satz 1 EGBGB (a.F.) i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 EGBGB verweise für die Scheidung auf das Recht der Volksrepublik Bangladesch. Dies sei das Recht, dem beide Eheleute zuletzt angehört hätten. Alle anderen Rechtsanknüpfungen seien ausgeschlossen. Die Ansicht, die Scheidung unterliege deutschem Recht, weil der Antragsteller im Zeitpunkt der Scheidung Deutscher war (Art. 17 Abs. 1 Satz 1 EGBGB), sei unzutreffend.

Die Antragsgegnerin hat sich im gerichtlichen Verfahren beteiligt. Sie gibt an, die Eheleute hätten nach der Eheschließung bis September 2009 gemeinsam in Ingolstadt gelebt, dann habe sich der Ehemann von ihr getrennt. Erst Ende des Jahres 2012 habe der Antragsteller ihr mitgeteilt, dass er die Scheidung nunmehr durchgeführt habe. Information oder Kenntnis über die angebliche Scheidung im Jahr 2010 habe sie bis dahin nicht gehabt. Inzwischen besitze sie ebenfalls die deutsche Staatsbürgerschaft. In rechtlicher Hinsicht wird die Auffassung vertreten, dass deutsches Recht zur Anwendung komme und eine Privatscheidung deshalb nicht anerkannt werden könne.

II. Der Antrag auf Entscheidung durch das OLG München ist statthaft (§ 107 Abs. 5 und 7 FamFG) und auch im Übrigen zulässig. Er ist jedoch ohne Erfolg.

1. Eine Entscheidung im Sinne von § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG liegt vor. Hierunter fallen nach ganz herrschender Meinung auch Privatscheidungen, die unter Mitwirkung einer ausländischen Behörde (siehe § 107 Abs. 1 Satz 2 FamFG: "oder eine Behörde"), in diesem Fall durch Registrierung der durch Privatakt vollzogenen Scheidung bei einer mit Personenstandssachen befassten ausländischen Behörde, zustande gekommen sind (Keidel/Zimmermann FamFG 18. Aufl. § 107 Rn. 19). Eine nur deklaratorische Form der Registrierung genügt (Zöller/Geimer ZPO 30. Aufl. § 107 FamFG Rn. 24). Um eine Heimatstaatsscheidung, die dem Anerkennungsverfahren nicht unterliegt, handelt es sich nicht, weil bei "auch" deutscher Staatsangehörigkeit eine solche nicht gegeben ist (BayObLG FamRZ 1993, 452; Keidel/Zimmermann a.a.O.).

2. Da die Ehefrau ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Bayern hatte, war gemäß § 107 Abs. 2 und 3 FamFG i.V.m. § 4 GZVJu i.d.F. v. 11.6.2012 (GVBl S. 295) der Präsident des OLG München für die Anerkennung der ausländischen Ehescheidung zuständig. Dieser hat zutreffend festgestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind, weil eine Anknüpfung an das Recht von Bangladesch nach den Regeln des Internationalen Privatrechts nicht möglich ist.

a) Da die Scheidung bereits im Jahr 2010 ausgesprochen und spätestens ...

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