Leitsatz (amtlich)
1. Bestimmung des Güterrechtsstatuts eines deutsch-spanischen Ehepaares, das 1975 in Deutschland geheiratet und ab Mitte 1976 bis zum Tod der Ehefrau 2009 den gewöhnlichen gemeinsamen Aufenthalt in Spanien hatte, für die Ermittlung der Erbquote des überlebenden Ehegatten als gesetzlicher Erbe.
2. Auch bei Anwendung des Art. 220 Abs. 3 EGBGB findet eine Gesamtverweisung unter Einschluss des ausländischen Kollisionsrechts statt; eine Rück- oder Weiterverweisung durch das ausländische (hier: spanische) Kollisionsrecht ist zu beachten.
3. Für die Frage, ob das ausländische Kollisionsrecht eine Rückverweisung vorsieht, ist das zum Zeitpunkt des Erbfalls geltende Recht unter Beachtung etwaiger Übergangsvorschriften maßgeblich (hier Art. 9 Abs. 2 Código Civil).
Normenkette
EGBGB Art. 220
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 14.10.2010; Aktenzeichen 16 T 2170/10) |
AG München (Aktenzeichen 61 VI 8203/09) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3 gegen den Beschluss des LG München I vom 14.10.2010 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten zu 2 und 3 haben dem Beteiligten zu 1 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 250.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die kinderlose Erblasserin ist im April 2009 an ihrem Wohnort in Spanien im Alter von 67 Jahren verstorben. Eine letztwillige Verfügung liegt nicht vor. Die Erblasserin war ausschließlich deutsche Staatsangehörige. Ihr Ehemann, der Beteiligte zu 1, ist spanischer Staatsangehöriger (Gebietszugehörigkeit Katalonien). Die Ehe wurde im Oktober 1975 in München geschlossen. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus Bankguthaben und Wertpapieren in Deutschland und Spanien, dem Anteil der Erblasserin an dem Haus der Ehegatten in Spanien und umfangreichem Immobilieneigentum in Deutschland.
Der Beteiligte zu 1 hat die Erteilung eines Erbscheins aufgrund gesetzlicher Erbfolge beantragt, der ihn als Miterben zu 3/4 neben den beiden Söhnen der vorverstorbenen Schwester der Erblasserin (Beteiligte zu 2 und 3) ausweist. Zur Begründung hat er ausgeführt, für den Güterstand gelte deutsches Recht. Zu Beginn der Ehe seien die Ehegatten Deutschland am engsten verbunden gewesen. Er habe seit Ende 1955 in Deutschland gelebt und hier seine künftige Ehefrau kennengelernt. Vor der Eheschließung sei er nach Spanien zurückgekehrt, um eine eigene Existenz aufzubauen. Die Ehefrau habe noch bis zu einem halben Jahr nach der Eheschließung ihren Wohnsitz in Deutschland gehabt, sie hätten sich jedoch gegenseitig besucht. Erst ein halbes Jahr nach der Eheschließung sei ein gemeinsamer Wohnsitz in Spanien begründet worden. Als Beleg für seinen Sachvortrag hat er den Rentenbescheid für die Erblasserin mit Versicherungsverlauf vorgelegt, in dem das gesamte Jahr 1975 als Pflichtbeitragszeit berücksichtigt ist, der Zeitraum vom 27.1.1976 bis 1.5.1976 als "Arbeitslosigkeit".
Die Beteiligten zu 2 und 3 sind dem Antrag entgegengetreten. Sie meinen, in der Ehe habe der gesetzliche Güterstand nach katalanischem Recht bestanden, nämlich Gütertrennung. Die Ehegatten hätten unstreitig am 9.4.1983 und auch zuletzt den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien gehabt. Auch habe die Erblasserin, die mit ihren beiden Neffen Miteigentümerin von mehreren in Deutschland gelegenen Erbbaugrundstücken sei, in notariellen Verträgen vom 18.8.2006, 14.9.2006 und 27.9.2007 Gütertrennung angegeben ("in Gütertrennung verheiratet = gesetzlicher Güterstand nach katalanischem Recht"). Bereits im Januar 1975 hätte sie gemeinsam mit dem Beteiligten zu 1 ein Anwesen in Spanien erworben und ihm zum Kauf des Grundstücks 15.000 DM überwiesen. Die Erblasserin sei nach der Hochzeit für mehrere Monate aus München verschwunden und habe nach ihrer Rückkehr ihrer Friseuse erzählt, sie sei in Spanien gewesen. Der gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten habe sich deshalb unmittelbar nach der Eheschließung bereits in Spanien befunden.
Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 30.11.2009 den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen mit der Begründung, nach Art. 220 Abs. 3 Satz 2, 3, Art. 15, 14 Abs. 1 Ziff. 2 EGBGB sei spanisches Güterrecht anzuwenden, weil beide Ehegatten zum maßgeblichen Zeitpunkt (9.4.1983) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien gehabt hätten. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das LG diese Entscheidung aufgehoben und das Nachlassgericht zur Erteilung des beantragten Erbscheins angewiesen. Die Verweisung beziehe sich auch auf das spanische Kollisionsrecht. Nach Art. 9 Abs. 2 CC n.F. sei das Recht am Ort der Eheschließung maßgeblich - also deutsches Recht -, weil die vorrangigen Anknüpfungstatbestände, insbesondere ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt unmittelbar nach der Eheschließung, nicht gegeben seien.
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3 wird u.a. darauf gestützt, dass die Ehegatten übereinstimmend von der Anwendung spanischen Rechts ausgegangen seien und...