Leitsatz (amtlich)
Hat ein ausländisches Gericht die bigamische Eheschließung im Ausland als wirksam festgestellt, steht der Anerkennung der Entscheidung der inländische ordre public jedenfalls dann entgegen, wenn ihr die Wirkung beizumessen ist, dass sie die Aufhebung der Ehe aus dem Grund der Bigamie ausschließt. Der Umstand, dass auch das deutsche Eheschließungsrecht eine Doppelehe als wirksam behandelt, ist dann unerheblich.
Normenkette
BGB § 1306; FamFG §§ 107, 109
Tenor
Der Antrag auf Abänderung der Entscheidung des Präsidenten des OLG München vom 10.6.2014 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Das Verfahren richtet sich auf die Feststellung, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Entscheidung eines äthiopischen Gerichts über das Bestehen einer Ehe im Inland vorliegen.
Der in München wohnhafte Antragsgegner, ein deutscher Staatsangehöriger, hatte am 24.11.1999 ebendort mit M. die Ehe geschlossen. Die Ehe wurde durch Urteil des AG vom 15.12.2009 geschieden. Bereits am 24.10.2006 ging der Antragsgegner mit der nun in Kempten (Allgäu) wohnhaften Antragstellerin, einer äthiopischen Staatsangehörigen, in Addis Abeba/Äthiopien nach islamischem Recht die Ehe ein. Am selben Tag wurde auf Antrag beider Beteiligter die Eheschließung durch das Bundesschariaobergericht (Federal Higher Sheria Court) in Addis Abeba (File No. 350/99) anerkannt.
Die Antragstellerin hat am 24.2.2014 um Anerkennung der Entscheidung des Bundesschariaobergerichts vom 24.10.2006 nachgesucht.
In einem unter den Beteiligten anhängigen familiengerichtlichen Verfahren wegen Trennungsunterhalts erklärte der Antragsgegner, die Ehe sei nur zum Schein eingegangen und im Übrigen als Doppelehe unwirksam geschlossen.
Den Antrag auf Feststellung, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Entscheidung vom 24.10.2006 gegeben sind, mit dem das Bestehen der Ehe unter den Beteiligten festgestellt wird, hat der Präsident des OLG München am 10.6.2014 zurückgewiesen. Die urkundlichen Unterlagen seien zwar ebenso wie die Rechtskraft des bezeichneten Urteils nicht anzuzweifeln; aus Gründen des materiell-rechtlichen ordre public, nämlich des Verstoßes gegen das strafbewehrte Verbot der Mehrehe, könne die Entscheidung im Inland jedoch nicht anerkannt werden.
Gegen diese am 17.6.2014 zugestellte Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrem Antrag vom 15.7.2014. Sie begehrt, die Entscheidung aufzuheben und auszusprechen, dass die Anerkennungsvoraussetzungen für die bezeichnete ausländische Entscheidung vom 24.10.2006 vorliegen. Die Anerkennung könne nicht unter Berufung auf den deutschen ordre public verweigert werden. Der deutsche Gesetzgeber halte Doppelehen nicht mehr für nichtig, sondern nur noch für aufhebbar.
Auch ein deutsches Gericht hätte bei Kenntnis des Umstands, dass eine Doppelehe vorliege, nur aussprechen können, dass diese Ehe (noch) gültig sei.
Die Behörde hat nicht abgeholfen.
Der Senat hat gemäß Beschluss vom 5.11.2014 ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen Dr. W. erholt, das dieser unter dem 5.5.2015 vorgelegt hat. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
II. Der Antrag auf Entscheidung durch das nach § 107 Abs. 7 Satz 1 FamFG zuständige OLG ist statthaft (§ 107 Abs. 5 FamFG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gestellt. In der Sache bleibt er ohne Erfolg.
1. Gemäß § 107 Abs. 2 und 3 FamFG i.V.m. § 5 GZVJu (i.d.F. v. 1.10.2009, GVBl S. 523) war der Präsident des OLG München als Behörde der Landesjustizverwaltung zur Anerkennung zuständig, weil beide Beteiligte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Bayern haben.
2. Es liegt eine Entscheidung im Sinne von § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG vor, nämlich die Feststellung des Bestehens einer Ehe zwischen den Beteiligten. Das Bundesschariaobergericht ist zwar ein religiöses Gericht; dessen Tätigkeit auf dem Gebiet des Eherechts ist jedoch staatlicherseits anerkannt (dazu MüKo/Rauscher FamFG 3. Aufl. § 107 Rn. 19). Ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung (§ 107 Abs. 4 Satz 2 FamFG) ist, wenn der Antrag von einem betroffenen Ehegatten gestellt wird, regelmäßig nicht in Zweifel zu ziehen. Das gilt auch für die ausländische Entscheidung über das Bestehen der Ehe. Denn die Anerkennung oder Nichtanerkennung kann sich auf den familienrechtlichen Status der Eheleute auswirken.
3. Der Präsident des OLG München hat zutreffend festgestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung wegen Verstoßes gegen den ordre public nicht gegeben sind.
Der Anerkennungsmaßstab bestimmt sich nach § 109 FamFG.
a) Die internationale Zuständigkeit des äthiopischen Gerichts war für die Entscheidung gegeben (§ 109 Abs. 1 Nr. 1 FamFG). Maßgeblich für die Anwendung des so genannten Spiegelbildprinzips (Keidel/Zimmermann FamFG 18. Aufl. § 109 Rn. 3) ist das zum Zeitpunkt der Einleitung des ausländischen Verfahrens maßgebliche Recht; insoweit sind die im Oktober 2006 noch geltenden Bestimmungen der ZPO zum Verfahren in Ehesachen (§ ...