Entscheidungsstichwort (Thema)
Umgangsrecht eines Elternteils nach längerem Kontaktabbruch
Leitsatz (amtlich)
1. Die Einschränkung oder ein Ausschluss des Umgangsrechts ist nur veranlasst, wenn nach den Umständen des Einzelfalls der Schutz des Kindes dies erfordert, um eine Gefährdung seiner seelischen oder körperlichen Entwicklung abzuwenden (Anschluss BVerfG, Beschluss vom 29. November 2007 - 1 BvR 1635/07).
2. Hat das Kind - nach einem Wechsel im Alter von vier Jahren zum anderen Elternteil - keinen persönlichen Kontakt zu dem Elternteil, bei dem es ursprünglich gelebt hat, muss aus familienpsychologischer Perspektive vor dem Hintergrund einer inzwischen erheblichen Zeit der Trennung, dem damit verbundenen Verlust an Vertrautheit und Bindung eine Wiederaufnahme des Umgangs fachlich vorbereitet werden.
3. Ein längerer Kontaktabbruch stellt den regelmäßigen Fall für einen zunächst begleiteten Umgang dar.
4. Grundsätzlich muss das Jugendamt einen Umgang dann nicht begleiten, wenn eine andere zur Mitwirkung bereite, aber auch hierfür geeignete Person zur Verfügung steht. Dies kann ein vorgeschlagener Bekannter, der sich zwar zur Begleitung von ein bis zwei Umgängen, nicht aber zu vorbereitenden Gesprächen, bereit erklärt hat, nicht bewerkstelligen.
5. Akzeptiert der den Umgang begehrende Elternteil das Jugendamt nicht und steht dieses dementsprechend nicht zur Verfügung, steht gerade keine geeignete zur Mitwirkung bereite dritte Person zur Verfügung.
6. Eine Anordnungskompetenz gegenüber dem Jugendamt zur Begleitung des Umgangs hat die Beschwerdeinstanz nicht. Ein Ausschluss für einen festgelegten Zeitraum ist jedoch deshalb nicht veranlasst, da damit auch ein begleiteter Umgang ausgeschlossen wäre.
Normenkette
BGB § 1684 Abs. 4
Verfahrensgang
AG Ingolstadt (Beschluss vom 09.03.2023; Aktenzeichen 6 F 327/22) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Mutter wird der Endbeschluss des Amtsgerichts I. vom 09.03.2023 wie folgt abgeändert:
Der Umgang der Antragstellerin mit ihrem Sohn K. F., geb. ...2017 ist derzeit abzuweisen.
2. Im übrigen werden die Anträge, soweit sie sich auf Verstöße gegen die DSGVO beziehen, verworfen.
3. Von einer Auferlegung der Kosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4000,00 EUR festgesetzt.
5. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Mutter wendet sich gegen einen Umgangsausschluss, den das Amtsgericht I. angeordnet hat.
Die Beteiligten sind die Eltern des Kindes K., geb. ...2017. Sie waren nicht verheiratet und leben dauerhaft getrennt. K. ging aus einer kurzen Beziehung hervor. Die Mutter lebt und arbeitet in M. K. hatte seit seiner Geburt bis zum 19.03.2021 seinen Aufenthalt bei der Mutter. Der Vater lebt mit seiner Lebensgefährtin und dem Sohn aus dieser neuen Beziehung in I. Die Beteiligten hatten die gemeinsame elterliche Sorge für K., welche im Verfahren vor dem Amtsgericht M. Az:. 534 F 12212/19 eingerichtet wurde. Die Beziehung der Beteiligten war in der Vergangenheit sehr konfliktreich. Seit 19.03.2021 hat K. seinen gewöhnlichen Aufenthalt beim Antragsgegner in M. Das Verfahren zur Klärung der elterlichen Sorge für K. ist ebenfalls in der Beschwerdeinstanz unter Az.: 12 UF 433/23 anhängig. Mit Beschluss vom 28.06.2023 hat das OLG München die Entscheidung des Amtsgerichts I. zur Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den Antragsgegner bestätigt. Seit seinem Aufenthaltswechsel nach I. zum Vater hatte K. keinen Umgang mehr mit seiner Mutter. Die Mutter hatte im Verfahren wegen elterlicher Sorge mitgeteilt, dass sie keinen Umgangsantrag stellen werde, da sie keine Schuldumkehr bewirken wolle. Der Vater müsse sich später für den Kontaktabbruch der Mutter zu K. rechtfertigen. Letztlich signalisiert sie jedoch ihr Anliegen, Umgang mit K. pflegen zu wollen und gab an, willens und in der Lage zu sein, umfangreiche Umgänge, auch Ferienumgänge wahrzunehmen. Es wurde daher erstinstanzlich ein Umgangsverfahren von Amts wegen eingeleitet.
Die Mutter ist der Auffassung, dass der Vater das Kind bewusst von der Mutter entfremde. Er lasse Telefonate nicht zu und verhindere am Geburtstag des Kindes, dass die Mutter K. persönlich ein Geschenk überreichen könne. Er suche keine psychologische Beratung für seine eigenen Ängste. Es gebe keinen Anlass, den Kontakt K. zur Mutter zu blockieren. Der Vater zeige sich als bindungsintolerant.
Der Vater gab an, dass der Kontakt mit der Mutter schwierig sei. Er befürchtet, dass die Mutter K. anlässlich eines unbegleiteten Umgangs gegen ihn aufhetzen und ihn manipulieren könne. K. sei inzwischen gut in der Familie angekommen und stabil und entwickle sich gut. Er solle nicht aus dieser Sicherheit herausgerissen werden. Er wünsche jedoch einen regelmäßigen Kontakt zwischen K. und seiner Mutter, allerdings zunächst begleitet. Es müsse sichergestellt sein, dass die Mutter ein angepasstes Verhalten zeige. Zu einem persönlichen Austausch sei die Mu...