Entscheidungsstichwort (Thema)
Streit um Barabfindung nach Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages
Leitsatz (amtlich)
1. Die Anschließung eines Antragstellers an die unselbstständige Anschlussbeschwerde des Antragsgegners ist in Spruchverfahren aus Gründen der Chancengleichheit zulässig. Soweit zunächst nur einzelne Antragsteller Beschwerde eingelegt haben, sind die übrigen Antragsteller erst durch die unselbstständige Anschließung seitens der Antragsgegnerin formell Beteiligte des Beschwerdeverfahrens geworden. Diese müssen sich sodann ihrerseits gegen den Angriff der Antragsgegnerin verteidigen können.
2. Für die Frage, ob eine nur unerhebliche und damit unbeachtliche Wertabweichung vorliegt (sog. Bagatellgrenze), kommt es allein auf die Abweichung zwischen dem ursprünglich festgesetzten Unternehmenswert und dem im Rahmen des Spruchverfahrens ermittelten Wert an. Ob die sich hieraus ergebenen einzelnen Kompensationsleistungen erheblich von den zuvor festgesetzten Leistungen abweichen, ist hingegen irrelevant.
Normenkette
AktG §§ 304-305
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 25.04.2016; Aktenzeichen 5 HK O 20672/14) |
Tenor
1. Auf die Beschwerden der Antragsteller zu 1), 23), 34), 35), 46) und 58) - 61) und die Anschlussbeschwerden der Antragsteller zu 29) und 30) gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 25.04.2016 wird der von der Antragsgegnerin gem. Ziff. 6.3 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags zwischen der M. und der P. zu zahlende jährliche Ausgleich auf EUR 1,04 brutto abzüglich etwaiger Körperschaftssteuer und etwaigem Solidaritätszuschlag in Höhe des jeweils geltenden Steuersatz festgesetzt.
2. Im Übrigen werden die Beschwerden der Antragsteller zu 1), 23), 34), 35), 46) und 58) - 61) und die Anschlussbeschwerden der Antragsteller zu 29) und 30) zurückgewiesen.
3. Die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 25.04.2016 wird zurückgewiesen.
4. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller trägt die Antragsgegnerin.
5. Der Geschäftswert für die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahren, sowie der Wert für die Bemessung der von der Antragsgegnerin an den gemeinsamen Vertreter der nicht selbst als Antragsteller am Verfahren beteiligten außenstehenden Aktionäre zu leistende Vergütung in zweiter Instanz wird auf EUR 2.221.601,36 festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens sind die Barabfindung und der Ausgleich der außenstehenden Aktionäre nach Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages zwischen der P. (im Folgenden: P. oder die Gesellschaft) und der Antragsgegnerin, der M. (im Folgenden auch: M.).
Die P. ist ein Medizintechnikunternehmen, dessen Schwerpunkt in der Entwicklung, Herstellung und dem Vertrieb von medizinischen Geräte, Einmalartikeln, Diagnostika und Therapeutika liegt. Ihr Grundkapital beträgt EUR 8.250.000,00 und ist in ebenso viele auf den Inhaber lautende nennwertlose Stückaktien mit einem anteiligen Betrag am Grundkapital von EUR 1,00 je Aktie eingeteilt. Ihre Aktien waren bis zum 30.12.2014 im regulierten Markt an den Wertpapierbörsen in Frankfurt, Hamburg, Berlin, Düsseldorf, Stuttgart und München sowie im Xetra-Handel zugelassen. Seit dem 31.12.2014 werden die Aktien nur noch im Freiverkehr gehandelt.
Am 14.01.2014 hat die Antragsgegnerin ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot zum Erwerb sämtlicher Aktien der P. veröffentlicht und gleichzeitig mitgeteilt, dass sie beabsichtige, einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abzuschließen, sofern sie zum Ablauf der Annahmefrist am 12.02.2014 über mehr als 75% der Anteile verfügen werden sollte. Letztlich hat die Antragsgegnerin im Rahmen dieses Übernahmeangebots 78% der Anteile der P. erworben. Dies wurde mit der 1. Schlussbekanntmachung am 17.02.2014 mitgeteilt.
In den drei Monaten vor der Schlussbekanntmachung belief sich der von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ermittelte gewichtete Durchschnittskurs auf EUR 17,03 je Aktie.
Per Adhoc Meldung vom 15.05.2014 wurde sodann die Absicht des Abschlusses eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages mitgeteilt.
Am 03.07.2014 schlossen die Antragsgegnerin und die P. einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, nach dessen Ziff. 1.1 die P. die Leitung ihrer Gesellschaft der Antragsgegnerin unterstellt, die dementsprechend berechtigt sein soll, dem Verwaltungsrat bzw. geschäftsführenden Direktor hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft allgemeine oder einzelfallbezogene Weisungen zu erteilen.
Ziff. 3.1 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags verpflichtet die P. zur Abführung ihres gesamten Gewinns, höchstens jedoch den ohne die Gewinnabführung entstehenden Jahresüberschuss, vermindert um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr sowie um den ggf. nach § 300 AktG in die gesetzliche Rücklage einzustellenden Betrag.
In Ziff. 6.3 des Vertrags verpflichtet sich die Antragsgegnerin sodann zur Zah...