Leitsatz (amtlich)
1. Über - zulassungsfreie - Grundbuchbeschwerden entscheidet bei den LG eine Zivilkammer in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden. Eine Zuständigkeit des Einzelrichters - wie in Beschwerden nach der ZPO - ist dem geltenden Grundbuchverfahrensrecht fremd.
2. Zur Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters einer bayerischen Gemeinde (hier: Abgabe einer Löschungsbewilligung für eine zugunsten der Gemeinde engetragene Grundschuld).
Normenkette
GBO §§ 19, 81 Abs. 1; GVG § 75; ZPO § 568; BayGO Art. 36, 37 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1, Art. 38 Abs. 1
Gründe
I. Im Wohnungsgrundbuch ist für den Beteiligten zu 1 ein Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an einer Wohnung eingetragen. Die Dritte Abteilung des Grundbuchs enthält zugunsten der Beteiligten zu 2, einer bayerischen Gemeinde, eine Grundschuld ohne Brief zu 63.492,96 DM nebst Zinsen.
Mit notariellem Vertrag vom 1.4.2008 veräußerte der Beteiligte zu 1 sein Wohnungseigentum. Der Erwerber hat die zugunsten der Beteiligten zu 2 eingetragene Grundschuld nicht mit übernommen. Unter dem 10.4.2008 bewilligte und beantragte der erste Bürgermeister die Löschung der zugunsten der Beteiligten zu 2 eingetragenen Grundschuld auf Kosten des Eigentümers. Auf den am 21.7.2008 vorgelegten Antrag hat das Grundbuchamt mit Zwischenverfügung vom 8.9.2008 den fehlenden Gemeinderatsbeschluss zur Löschungsbewilligung beanstandet und Frist zur Behebung bis 8.10.2008 gesetzt. Der namens und im Auftrag der Beteiligten zu 2 vom Notar eingelegten Beschwerde hat das AG nicht abgeholfen. Das LG hat mit Beschluss der Einzelrichterin vom 4.11.2008 die Beschwerde zurückgewiesen und "die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen". Gegen den Beschluss des LG richtet sich das Rechtsmittel der Beteiligten zu 2.
II. Das Rechtsmittel hat - jedenfalls vorläufig - Erfolg.
1. Das Rechtsmittel ist als weitere Beschwerde nach § 78 Abs. 1 GBO zulässig. Diese bedarf in Grundbuchsachen keiner Zulassung durch das Beschwerdegericht. In § 78 Satz 2 GBO ist auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Revision, nicht über die Rechtsbeschwerde, verwiesen. Eine Verweisung auf § 543 ZPO findet nicht statt. Selbst wenn man § 574 ZPO gleichwohl analog heranziehen würde, bestünde kein Zulassungserfordernis, da § 78 Satz 1 GBO eine ausdrückliche Bestimmung i.S.d. § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wäre (BayObLGZ 2004, 370).
2. Die weitere Beschwerde ist begründet, weil das LG nicht vorschriftsmäßig besetzt war. Dies ist ein absoluter Rechtsbeschwerdegrund (vgl. § 78 Satz 2 GBO, § 547 Nr. 1 ZPO; BGH NJW 1989, 229/230; 1993, 600; 2001, 1357; OLG München FGPrax 2008, 99; Meikel/Streck GBO 10. Aufl., § 81 Rz. 5; Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 27 Rz. 34). Nach § 81 Abs. 1 GBO entscheidet über Beschwerden bei den LG eine Zivilkammer. § 75 GVG regelt die Besetzung der Zivilkammer mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden. Eine originäre Einzelrichterzuständigkeit, wie im zivilprozessualen Beschwerdeverfahren nach § 568 ZPO, kennt das Grundbuchverfahrensrecht nicht, ebenso wenig eine Übertragung auf den Einzelrichter. Diese ist im Gegensatz zu § 30 Abs. 1 FGG, § 526 Abs. 1 ZPO hier nicht vorgesehen. Nach allgemeiner Meinung trifft § 81 Abs. 1 GBO eine eigenständige gerichtsverfassungsrechtliche Regelung (vgl. Demharter, GBO, 26. Aufl., § 81 Rz. 3; Budde in Bauer/von Oefele GBO 2. Aufl., § 81 Rz. 1; KEHE/Briesemeister GBO 6. Aufl., § 81 Rz. 1 und 3; Hügel/Kramer, GBO, § 81 Rz. 2), so dass ein Rückgriff auf § 30 Abs. 1 FGG nicht in Frage kommt.
III. Für die vom LG als Beschwerdekammer in der Besetzung nach § 75 GVG neu zu treffende Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Die Einzelrichterin hat angenommen, dass zur Löschung der Grundschuld ein Gemeinderatsbeschluss erforderlich sei. Denn der Gemeinderat, nicht der erste Bürgermeister, sei für die Löschungsbewilligung zuständig. Es handele sich nicht um eine laufende Angelegenheit, auch ein Fall der geschäftsordnungsmäßigen Übertragung auf den ersten Bürgermeister liege nicht vor. Schließlich werde die vom ersten Bürgermeister erklärte Löschungsbewilligung auch nicht über Art. 36 GO (Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern in der Fassung vom 22.8.1998 GVBl. S. 796) gedeckt, da kein Fall des Vollzugs des ursprünglichen Beschlusses über die Darlehensgewährung vorliege. Zwar sei der Darlehensvertrag mit dinglicher Absicherung umfassend bereits Gegenstand von verschiedenen Gemeinderatsbeschlüssen gewesen. Nicht zutreffend sei jedoch, dass die Löschung der bestellten Grundschuld lediglich der grundbuchmäßige Abschluss des Darlehensverhältnisses bilde. Denn aufgrund der Abstraktheit der Grundschuld erfordere die Beendigung des schuldrechtlichen Darlehensverhältnisses eine eigene materiell-rechtliche, auf das dingliche Rechtsgeschäft gerichtete Willensbildung seitens des Berechtigten.
2. Im Ergebnis wäre die Zwischenverfügung des Grundbuchamts wohl zu bestätigen.
a) Gibt der erste Bürgermeister einer bayerisch...