Leitsatz (amtlich)
1. Die Entscheidung des Erstgerichts über Abhilfe oder Nichtabhilfe einer Beschwerde hat auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich durch Be-schluss zu erfolgen, der mit Gründen zu versehen und den Beteiligten bekannt zu geben ist.
2. Weist das Nichtabhilfeverfahren schwere Mängel auf, so kann das Beschwerdegericht die Sache an das Erstgericht zur erneuten Durchführung des Abhilfeverfahrens zurückgeben.
Normenkette
FamFG § 68 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG München (Beschluss vom 22.01.2010; Aktenzeichen HRB 127187) |
Tenor
I. Die Nichtabhilfe- und Vorlageverfügung des AG München vom 22.1.2010 wird aufgehoben.
II. Die Akten werden dem AG München zur erneuten Durchführung des Abhilfeverfahrens zurückgegeben.
Gründe
I. Mit Schreiben vom 18.9.2009 beantragte die beteiligte Aktiengesellschaft, die Gesellschaft von der Prüfungspflicht der Eröffnungsbilanz sowie der Jahresabschlüsse und Lageberichte für alle Geschäftsjahre bis zur Beendigung der Insolvenz (Rumpfgeschäftsjahr per 10.7.2009) zu befreien. Der komplette Geschäftsbetrieb sei unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens veräußert und von den Erwerbern als eigenständige GmbH weitergeführt worden. Die Aktiengesellschaft selbst habe keinerlei Geschäftstätigkeit mehr gehabt, die Verhältnisse seien sehr überschaubar. Die Gläubiger hätten dem Insolvenzplan zugestimmt; das Insolvenzgericht habe den Insolvenzplan bestätigt und das Insolvenzverfahren per 10.7.2009 aufgehoben. Die Gesellschaft solle fortgeführt werden.
Auf Anforderung des AG - Registergerichts legte die Gesellschaft Nachweise für die dargelegten Vorgänge vor. Mit Verfügung vom 7.10.2009 empfahl das AG die Rücknahme des Antrags. Voraussetzung einer Befreiung seien einfache und überschaubare Gesellschaftsverhältnisse. Infolge der beschlossenen Fortsetzung sei aber wieder eine wesentliche Geschäftstätigkeit zu erwarten. Eine Antwort hierauf ging nicht ein. Mit Beschluss vom 1.12.2009 wies das AG den Antrag zurück. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Befreiung nicht vorlägen, weil die Verhältnisse der Gesellschaft nicht als einfach und überschaubar angesehen werden könnten.
Mit Schriftsatz vom 21.12.2009 legte die Gesellschaft über ihren Verfahrensbevollmächtigten das Rechtsmittel der Beschwerde ein, die mit Schriftsatz vom 20.1.2010 begründet wurde. Der Verfahrensbevollmächtigte beantragte, der Beschwerde abzuhelfen, und rügte u.a., dass der angefochtene Beschluss nicht hinreichend begründet sei; das AG habe nur die gesetzliche Vorschrift zitiert und sich nicht mit den konkreten Verhältnissen der Gesellschaft auseinandergesetzt. Mit Verfügung vom 22.1.2010 half das AG der Beschwerde nicht ab und legte die Akten dem OLG München vor.
II. Der Senat gibt die Sache zur erneuten Durchführung des Abhilfeverfahrens an das AG zurück, da dessen Verfahrensweise nicht den an ein Abhilfeverfahren zu stellenden Mindestanforderungen genügt.
1. Die Entscheidung über die Abhilfe (§ 68 Abs. 1 Satz 1 FamFG) hat grundsätzlich durch Beschluss zu erfolgen, der mit Gründen zu versehen (§ 38 Abs. 3 Satz 1 FamFG) und den Beteiligten bekannt zu geben ist (§ 41 FamFG; vgl. Keidel/Sternal FamFG 16. Aufl., § 68 Rz. 12, 33; Prütting/Helms/Abramenko FamFG § 68 Rz. 9, 11; Bassenge/Roth FamFG/RPflG 12. Aufl., § 68 FamFG Rz. 7; zur entsprechenden Vorschrift im Zivilprozess: Zöller/Heßler ZPO, 28. Aufl., § 572 Rz. 10; Musielak/Ball ZPO, 7. Aufl., § 572 Rz. 9; Baumbach/Hartmann ZPO, 68. Aufl., § 572 Rz. 18; Lipp in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 572 Rz. 14; Thomas/Putzo/Reichold ZPO, 30. Aufl., § 572 Rz. 10). Ein Aktenvermerk mit Übersendungsverfügung genügt in der Regel nicht. Die Anforderungen an die Begründungsintensität hängen naturgemäß vom Einzelfall ab. Wird die Beschwerde nicht begründet, oder enthält die Beschwerdebegründung keine wesentlich neuen Gesichtspunkte, auf die nicht schon in der Ausgangsentscheidung eingegangen wurde, so kann eine kurze Begründung oder auch nur Bezugnahme auf die angefochtene Entscheidung durchaus ausreichen. Anders verhält es sich bei (grundsätzlich zulässigem) neuem wesentlichem Vorbringen des Beschwerdeführers, oder wenn das wesentliche Vorbringen zwar nicht neu ist, aber die Ausgangsentscheidung die tragende Argumentation des Beschwerdeführers nicht behandelt hat. Ein Eingehen auf alle Ausführungen ist hier wie auch sonst in gerichtlichen Entscheidungen nicht erforderlich. Der Nichtabhilfebeschluss in Verbindung mit dem Ausgangsbeschluss muss aber jedenfalls erkennen lassen, dass der Erstrichter das wesentliche Beschwerdevorbringen beachtet und seiner Pflicht zur Prüfung und Selbstkontrolle im Abhilfeverfahren nachgekommen ist.
2. Diesen Anforderungen genügt die Verfahrensweise des AG nicht. Die Nichtabhilfe beschränkt sich auf den Satz, dass nicht abgeholfen werde. Sie ist nicht in Beschlussform gefasst und der Beschwerdeführerin auch nicht bekanntgegeben. Eine Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen fehlt völlig....