Leitsatz (amtlich)

1. Untersuchungshaft ist grundsätzlich auch dann nicht als "gewöhnlicher Aufenthalt in einem Heim" im Sinne der Vergütungsvorschriften für berufsmäßige Betreuer einzustufen, wenn der Betroffene in diesem Zeitraum keinen anderen Lebensmittelpunkt hat. Eine anschließende Verurteilung zu einer Strafhaft führt insoweit nicht rückwirkend zu einer anderen Bewertung dieses Zeitraums (Abgrenzung zur Senatsentscheidung vom 4.7.2006 - 33 Wx 60/06 Beck RS 2006, 08108).

2. Obsiegt der Betreuer mit seinem auf eine höhere Vergütung gerichteten Rechtsmittel, entspricht es der Billigkeit, seine zur Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Staatskasse als Schuldnerin der Vergütung aufzuerlegen.

 

Normenkette

VBVG § 5 Abs. 1-2; FGG § 13a Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 05.03.2007; Aktenzeichen 13 T 6101/06)

AG Fürth (Bayern) (Beschluss vom 30.03.2006; Aktenzeichen XVII 118/05)

 

Tenor

I. Die Entscheidungen des LG Nürnberg-Fürth vom 5.3.2007 und des AG Fürth vom 30.3.2006 werden aufgehoben.

II. Die Vergütung des Betreuers aus der Staatskasse für die Tätigkeit in der Zeit vom 1.7.2005 bis 31.12.2005 wird auf 1.465,20 EUR festgesetzt.

III. Der Beteiligte hat dem Betreuer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde zu erstatten.

IV. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 545,60 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der mittellosen Betroffenen wurde mit Beschluss vom 26.4.2005, wirksam seit 27.5.2005, eine berufsmäßige Betreuerin bestellt. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie ihre Mietwohnung bereits einige Zeit geräumt gehabt und wohnte beim Vater ihres Kindes. Diese Wohnung verließ sie wieder und wohnte dann bei ihrem Stiefvater. Ab 10.6.2005 befand sie sich in Untersuchungshaft, zunächst in der JVA Nürnberg, dann in der JVA Aichach. Am 18.1.2006 wurde sie rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit Anträgen vom 6.10.2005 und vom 13.2.2006 machte der Betreuer die Vergütung für den Zeitraum vom 1.7.2005 bis 31.12.2005 geltend, wobei er von dem Stundenansatz für eine mittellose Betroffene, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Heim hat, ausging und die Festsetzung einer Vergütung aus der Staatskasse für 33,3 Stunden zu je 44 EUR, also insgesamt 1.465,20 EUR beantragte.

Mit Beschluss vom 30.3.2006, zugestellt am 26.4.2006, setzte das AG die Vergütung auf 919,60 EUR fest und wies im Übrigen den Antrag zurück. Dabei ging das AG von den Stundenansätzen für Heimbewohner aus. Die vom Betreuer am 9.5.2006 eingelegte sofortige Beschwerde, die auf die Anwendung der höheren Stundenansätze des § 5 Abs. 2 Satz 2 VBVG beschränkt wurde, hat das LG am 5.3.2007 zurückgewiesen und die sofortige weitere Beschwerde zugelassen.

II. Die zulässige sofortige weitere Beschwerde ist auch in der Sache begründet.

1. Das LG stützt seine Anwendung der Stundenansätze des § 5 Abs. 2 Satz 1 VBVG auf folgende Erwägungen:

Wie bei Einrichtungen des Strafvollzugs sei auch bei einem Aufenthalt in Untersuchungshaft von einem Heimaufenthalt i.S.v. § 5 Abs. 3 Satz 1 VBVG auszugehen. Die Betroffene habe sich seit 10.6.2005 in Untersuchungshaft befunden und sei am 18.1.2006 rechtskräftig zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, wobei das früheste Strafende der 9.6.2007 und das voraussichtliche Strafende der 9.6.2008 sei. Die Haftbedingungen seien zwar bei Untersuchungshaft anders als bei Strafhaft, doch finde auch in der Untersuchungshaft der Betroffene gesundheitlich und soziale Hilfe. Auch die Entgeltlichkeit könne bejaht werden, da bei rechtskräftig Verurteilten grundsätzlich auch die Kosten der Untersuchungshaft von diesen erhoben werden können.

Die Betroffene habe im Vergütungszeitraum auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Vollzugsanstalt gehabt. Die Untersuchungshaft sei zeitlich zunächst auf unbestimmte Dauer angelegt. Hier habe die Untersuchungshaft ca. sechs Monate gedauert und die Strafhaft habe sich unmittelbar angeschlossen.

Da die Betroffene außerhalb der Haft keinen Daseinsmittelpunkt gehabt habe, sei ihr gewöhnlicher Aufenthalt in der Untersuchungshaftanstalt gewesen. Die Betroffenen habe bis zum Beginn der Betreuung eine Wohnung in der N.-Straße gehabt, sei dann in die K.-Straße verzogen und dann, kurz vor ihrer Verhaftung, zu ihrem Stiefvater. Da sie ihre Wohnungen kurzfristig gewechselt habe und dabei mietfrei habe wohnen können, habe sie sich bei ihrem Stiefvater nicht dauerhaft mit Rückkehrabsicht aufgehalten. Dafür spreche insb., dass der Betreuer angegeben habe, eine neue Wohnung nach Haftentlassung sei regelungsbedürftig.

2. Diese Erwägungen halten der rechtlichen Überprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht stand.

a) Der reduzierte Stundenansatz des § 5 Abs. 2 Satz 1 VBVG greift nur ein, wenn der Betreute seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Heim (§ 5 Abs. 3 VBVG) hat. Hat der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Heim, sind die höheren Stundenansätze des § 5 Abs. ...

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