Leitsatz (amtlich)
Im vereinfachten Verfahren nach § 155a FamFG kann über die gemeinsame elterliche Sorgen nur in Ausnahmefällen im Wege einer einstweiligen Anordnung entschieden werden.
Verfahrensgang
AG München (Beschluss vom 14.09.2015; Aktenzeichen 524 F 13976/15) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG München vom 14.9.2015 aufgehoben.
2. Der Antrag des Antragsgegners, ihm im Wege der einstweiligen Anordnung das gemeinsame Sorgerecht und das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder D. und D. zu übertragen, wird abgewiesen.
3. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.
4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird bis zum 30.9.2015 auf EUR 3.000,00 und danach auf EUR 1.500,00 festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die nicht miteinander verheirateten Eltern der betroffenen Kinder. Das Sorgegerecht stand der Antragsgegnerin nach der Geburt der Kinder alleine zu; der Antragsteller hatte zwar die Kinder als leibliche Kinder anerkannt, eine Sorgerechtserklärung wurde jedoch nicht abgegeben. Die Eltern lebten mit den Kindern bis Mitte August 2015 zusammen in München; die Antragsgegnerin trennte sich vom Antragsteller und zog Ende August 2015 mit den Kindern nach Jena. Das Kind D. leidet an einem Gendefekt und unter Epilepsie.
Der Antragsteller beantragte am 14.8.2015, ihm im Wege der einstweiligen Anordnung das gemeinsame Sorgerecht und das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen. Zur Begründung führte er an, das Kindeswohl von D. sei gefährdet, weil das Kind in Jena nicht in dem Maße gefördert werden könne, wie es in München in der ausgesuchten Heilpädagogischen Tagesstätte der Fall sei. Außerdem würden ihm die Kinder durch den Umzug der Antragsgegnerin nach Jena entfremdet werden.
Das AG München hat mit Beschluss vom 14.9.2015 nach mündlicher Verhandlung antragsgemäß die gemeinsame elterliche Sorge begründet und dem Antragsteller das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass weder der Aspekt der Kontinuität, noch die Erziehungsfähigkeit für oder gegen den einen oder anderen Elternteil spräche, aber die Kooperationsbereitschaft und Bindungstoleranz spreche ehe für einen Aufenthalt der Kinder beim Antragsteller, zumal der Sohn David in München in einer Heilpädagogischen Tagesstätte besser gefördert und betreut werden könne. Wegen der Eilbedürftigkeit und um das Kindeswohl nicht zu gefährden, sei eine Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Anordnung zu erlassen.
Gegen den ihr am 15.9.2015 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am selben Tag Beschwerde eingelegt.
Zur Begründung hat die Antragsgegnerin ausgeführt, dass sie sich überwiegend wegen berufsbedingter Ortsabwesenheit des Antragstellers um die Kinder und die Förderung insbesondere des Kindes D. gekümmert habe. Sie habe dem Antragsteller rechtzeitig den Umzug nach Jena vor einem Jahr angezeigt. Der Antragsteller habe eine Paarberatung abgelehnt; sie habe sie einseitig erfolglos durchgeführt. In München habe sie ohne Einkommensnachweis keine Wohnung finden können. Die Kinder besuchten in Jena eine Kindertagesstätte und D. habe einen Platz mit Förderbedarf erhalten. Da die Antragsgegnerin die Kinder überwiegend betreut habe, spreche der Kontinuitätsgrundsatz für sie. Das AG gehe zudem fälschlicherweise davon aus, dass David in Jena nur einen Integrationsplatz im Kindergarten inne habe. Richtig sei vielmehr, dass er einen integrativen Kindergarten besuche, der mit einer heilpädagogischen Tagesstätte vergleichbar sei und den gleichen Betreuungsschlüssel habe wie diese. Die notwendigen Therapiemaßnahmen könnten im Kindergarten durchgeführt werden und könnten auf ärztliche Anordnung in den Kindergartenalltag integriert werden.
Die gemeinsame elterliche Sorge könne nicht ausgeübt werden, weil das gegenseitige Vertrauen, ein Mindestmaß an Übereinstimmung und die Kommunikationsbereitschaft zwischen den Eltern fehle.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag des Antragstellers abzuweisen.
Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Einen gleichzeitig gestellten Antrag auf Herausgabe der Kinder hat er am 30.9.2015 zurückgenommen.
Zur Begründung seines Antrags führt der Antragsteller aus, dass die Kinder in Jena nicht sozial besser eingebunden seien. Die Antragsgegnerin entziehe dem Antragsteller durch den Umzug die Kinder. Er habe die Kinder während der Zeit des Zusammenlebens in erheblichem Umfang versorgt und David gefördert. In München könne der Sohn D. optimal in einer Heilpädagogischen Tagesstätte, für die eine verbindliche Zusage zur Aufnahme des Kindes vorliege, gefördert werden. Die Kindertagesstätte in Jena könne bei weitem nicht dieselbe Förderung ermöglichen. Der Umzug der Kinder nach Jena widerspreche daher dem Kindeswohl. Unzutreffend sei es, dass er sich einer Paarberatung widersetzt habe; das Gegenteil sei der Fall gewesen. Auch hätte die Antragsgegne...