Entscheidungsstichwort (Thema)
Entfallen des Gesamtschuldnerausgleichs bei Eheleuten
Leitsatz (redaktionell)
Ein Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 Abs. 1 S. 1 BGB entfällt für den Zeitraum, für den die Parteien ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart haben, dass ein Ehegatte nach der Trennung/Scheidung die gemeinsamen Hausschulden weiter abbezahlt und der andere Ehegatte deshalb den ihm ansonsten zustehenden Unterhalt nicht verlangt. Zur Feststellung, ob dem Bedürftigen ein nicht geltend gemachter Unterhaltsanspruch zustand, ist eine Doppelberechnung einmal unter Berücksichtigung der Schulden und einmal ohne Schulden durchzuführen.
Normenkette
BGB § 426 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Landshut (Aktenzeichen 3 F 727/03) |
Tenor
I. Der Beklagten wird für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin Sch. bewilligt.
II. Zur Vorbereitung des Termins am 6.7.2005 schlägt der Senat den Parteien folgenden Vergleich vor:
1. Die Beklagte überträgt ihren Hälfteanteil am Anwesen E.-straße 2, Pf., dem Kläger.
2. Der Kläger stellt die Beklagte im Innenverhältnis von allen auf dem Grundstück lastenden Verbindlichkeiten frei und verpflichtet sich, alles zu unternehmen, dass die Beklagte auch im Außenverhältnis freigestellt wird.
3. Der Kläger stellt die Beklagte von Unterhaltsansprüchen der beiden gemeinsamen minderjährigen Kinder M., geb. am 13.4.1989, und J., geb. am 12.9.1990, frei.
4. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Beklagten derzeit kein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zusteht.
5. Mit diesem Vergleich sind alle gegenseitigen Ansprüche der Parteien, insb. aus dem Vergleich des AG Landshut vom 21.12.1995, aus Gesamtschuldnerausgleich und aus rückständigem Ehegattenunterhalt bis 30.6.2005 abgegolten.
6. Mit diesem Vergleich ist auch das Verfahren beim OLG - 20 U 1819/05 erledigt.
7. Die Kosten dieses Rechtsstreits und des Verfahrens beim OLG München - 20 U 1819/05 und des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten der Grundbuchumschreibung trägt der Kläger.
Gründe
I. Die Parteien haben in dem vor dem AG Landshut unter dem Aktenzeichen 1 F 435/94 geführten Verfahren auf Hausratsverteilung am 20.12.1995 einen Vergleich geschlossen, in dem sich u.a. der Kläger verpflichtete, der Beklagten zur Abfindung aller restlichen Ansprüche aus der Hausratsaufteilung einen Betrag von 5.000 DM in monatlichen Raten von 225 DM ab 1.4.1996 zu zahlen. Mit Schreiben vom 28.5.2003 hat der Kläger mit Ansprüchen aus Gesamtschuldnerausgleich aufgerechnet und Vollstreckungsgegenklage erhoben. Das AG Landshut hat mit Urteil vom 26.1.2005 die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich für unzulässig erklärt. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.
Die Eheleute lebten seit Oktober 1994 getrennt, wobei der Kläger im gemeinsamen Anwesen verblieb und seither die monatlichen Hausschulden von 1.800 DM abzahlte. Die Beklagte erhielt seit der Trennung Sozialhilfe, die Kinder zum Teil UVG-Leistungen. Eine ausdrückliche Unterhaltsforderung wurde gegen den Kläger nicht geltend gemacht, der Kläger hat auch nie Unterhalt bezahlt. Auch vom Sozialamt wurde vom Kläger kein Unterhalt verlangt.
II.1. Der Beklagten ist Prozesskostenhilfe zu bewilligen, da für ihre Berufung Erfolgsaussicht besteht, §§ 119, 114 ZPO. Die Erfolgsaussicht ist bereits wegen der sehr schwierigen Rechtslage zu bejahen, ferner wegen des nach der Rechtsprechung bestehenden Aufrechnungsverbots ggü. Ansprüchen auf Hausratsteilung (Palandt, BGB, 64. Aufl., § 399 Rz. 5, § 387 Rz. 15).
2. Nach Auffassung des Senats bestand dagegen bei Vergleichsabschluss im Hausratsverfahren kein Gesamtschuldnerausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 2 BGB, so dass aus diesem Grunde auch in den Vergleich kein Vorbehalt aufgenommen werden musste, dass Gegenansprüche bestehen (vgl. insoweit BGH v. 9.12.1992 - VIII ZR 218/91, MDR 1993, 473 = NJW 1993, 1396; Palandt, BGB, 64. Aufl., § 426 Rz. 3).
Entgegen den Ausführungen des noch nicht rechtskräftigen Urteils des LG Landshut vom 21.12.2004 (LG Landshut, Urt. v. 21.12.2004 - 22 O 1476/04) bestand für die Zeit vor September 2001 kein Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich, vermutlich auch nicht für die Zeit vor Sommer 2004. Mangels näherer Kenntnis des Einkommens des Klägers kann derzeit vom Senat keine genaue Unterhaltsberechnung für diese Zeiträume durchgeführt werden.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH besteht nach § 426 Abs. 1 S. 1 BGB kein Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich, wenn ausdrücklich oder stillschweigend zwischen den Parteien etwas anderes vereinbart wurde (BGH v. 25.11.1987 - IVb ZR 95/86, MDR 1988, 300 = FamRZ 1988, 264; v. 30.11.1994 - XII ZR 59/93, MDR 1995, 1036 = FamRZ 1995, 216; eingehend Haußleiter/Schulz, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 4. Aufl., Kap. 6, Rz. 57 ff.). Dies gilt insb. für Fälle, in denen der Unterhaltspflichtige eine gemeinsame Schuld nach Trennung/Scheidung weiter alleine abzahlt und sich deshalb der Unterhaltsanspruch des Bedürftigen entsprechend reduzier...