Leitsatz (amtlich)
1.
Die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB ist erst dann heranzuziehen, wenn nach Überprüfung aller inner- und außerhalb des Testaments liegenden Umstände verbleibende Zweifel nicht zu beseitigen sind.
2.
Ob zwischen Verfügungen von Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament der in § 2270 BGB bezeichnete Zusammenhang der Wechselbezüglichkeit besteht, ist (sofern dies nicht eindeutig ist) nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 2084 BGB) zu entscheiden.
3.
Ein späterer Abänderungsvorbehalt zugunsten eines Ehegatten spricht für die Wechselbezüglichkeit der Erbeinsetzung im Übrigen, wenn der in dem Zusatz beschriebene Vermögensgegenstand nach dem ausdrücklichen Wortlaut nicht der früheren Vereinbarung unterliegen soll; schon das legt die Auslegung nahe, dass hinsichtlich des übrigen Vermögens sehr wohl eine Bindung gewollt war.
Verfahrensgang
LG München I (Entscheidung vom 22.03.2007; Aktenzeichen II 6 T 5955/05) |
AG Starnberg (Aktenzeichen VI 23/05) |
Gründe
I.
Die Erblasserin verstarb am 5.1.2005 im Alter von 91 Jahren. Ihr Ehemann war vorverstorben. Die Beteiligten zu 1 bis zu 5 sind leibliche Abkömmlinge der Erblasserin. Die Beteiligten zu 6 und zu 7 sind Enkel der Erblasserin und Abkömmlinge eines bereits vorverstorbenen Sohnes. Der Ehemann der Erblasserin verfasste am 4.2.1971 folgendes von ihr mitunterzeichnetes Schriftstück
"Erklärung
Die Endesunterzeichneten bekunden gemeinsam, dass bei Ableben des einen Elternteils der überlebende Teil das gesamte Erbe übernimmt und eine Aufteilung des Erbgutes auf die erbberechtigten Kinder erst nach dem Ableben beider Elternteile erfolgen soll.
Im Fall einer Wiederverheiratung des überlebenden Elternteils bleibt das Erbe den leiblichen Kindern der Unterzeichnenden vorbehalten.
(Ort), den 4. Februar 1971
H.W.
E.W."
Unter dieses Schriftstück setzte der Ehemann der Erblasserin am 14.3.1976 folgenden von ihr mitunterzeichneten Text:
"Zusatz:
Die auf den Namen E.W. (Erblasserin) eingetragene Eigentumswohnung in St., ..... unterliegt nicht der vorstehenden Vereinbarung, da sie nicht unter den Begriff des gemeinsamen Vermögens fällt.
(Ort), 14.3.1976
H.W.
E.W."
Die Erblasserin errichtete am 8.12.2004 ein notarielles Testament, in welchem sie die Beteiligten zu 1 und zu 2 mit unterschiedlichen Anteilen als Erben einsetzte und im Übrigen die Erben mit verschiedenen Vermächtnissen beschwerte. Mit Schriftsatz vom 15.6.2005 beantragte der Beteiligte zu 3 einen Erbschein mit dem Inhalt, dass die Erblasserin zu je 1/6 von den Beteiligten zu 1 mit 5 und zu je 1/12 von den Beteiligten zu 6 und 7 beerbt worden seien.
Das Nachlassgericht erließ am 25.8.2005 den Beschluss, wonach die Erteilung eines Erbscheins entsprechend dem gestellten Antrag angekündigt wird. Gegen diesen Beschluss legte die Beteiligte zu 2 mit Schriftsatz vom 12.9.2005 Beschwerde ein. Das Landgericht hat das Rechtsmittel mit Beschluss vom 22.3.2007 zurückgewiesen. Gegen den ablehnenden Beschluss richtet sich die weitere Beschwerde, welche die Beteiligte zu 2 mit Schriftsatz vom 5.4.2007 eingelegt hat.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
1.
Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Die Erblasserin sei an das gemeinsame Ehegattentestament vom 4.2.1971 gebunden gewesen. Nur im testamentarischen Zusatz vom 14.3.1976 hätten die Erblasserin und ihr Ehemann einen testamentarischen Änderungsvorbehalt vorgesehen und damit stillschweigend zum Ausdruck gebracht, dass in Bezug auf das übrige Vermögen die Wechselbezüglichkeit der Verfügung vom 4.2.1971 gelten solle. Die Wechselbezüglichkeit der bezeichneten Verfügungen hätten die Eheleute auch dadurch unterstrichen, dass auch im Falle der Wiederverheiratung des überlebenden Elternteils das alleinige testamentarische Erbrecht der Kinder des Vorversterbenden bestehen bleiben solle. Die Erblasserin habe von ihrem eingeräumten Änderungsvorbehalt keinen Gebrauch gemacht. Die im notariellen Testament vom 8.12.2004 erfolgte Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 und zu 2 als alleinige und ausschließliche Erben sei als solche unteilbar und ist insgesamt wegen Verstoßes gegen die Bindungswirkung des vorangegangenen Testaments nichtig. Es lasse sich auch keine quantitative Teilbarkeit des notariellen Testaments herleiten.
2.
Diese Ausführungen halten im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).
a)
Das Landgericht geht zutreffend davon aus, dass die Beteiligten zu 1 bis 7 aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments vom 4.2.1971 als Erben nach dem Überlebenden berufen sind. Diese Erbeinsetzung hätte durch die Erblasserin durch notarielles Testament vom 8.12.2004 nur dann wirksam widerrufen werden können, wenn sie nicht wechselbezüglich im Sinne des § 2270 BGB zu einer Verfügung ihres Ehemannes war; andernfalls war die Erblasserin nach § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB nach dem Tod des Ehemanns an einem Widerruf dieser in dem gemeinschaftlichen Testament getroffenen letztwilligen Verfügung gehindert.
aa)
Nach § 2270 Abs. 1 BGB sind in ein...