Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht, einer angemessenen Tätigkeit nachzugehen
Verfahrensgang
AG Landau a.d. Isar (Beschluss vom 20.08.2003; Aktenzeichen 1 F 556/02) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG – FamG – Landau a. d. Isar vom 8.2003 dahin gehend abgeändert, dass der Antragsgegnerin unter Beiordnung von Rechtsanwalt G. Prozesskostenhilfe bewilligt wird, soweit sie im Verbundverfahren einen nachehelichen Unterhalt von 176 Euro beantragt.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin beantragt im Scheidungsverfahren im Verbund nachehelichen Unterhalt von 176 Euro. Unstreitig hat der Antragsteller, der im Hotelgewerbe tätig ist, nach Abzug von 5 % berufsbedingten Aufwendungen und dem Kindesunterhalt sowie unter Berücksichtigung von 10 % Erwerbstätigenbonus ein unterhaltsrechtlich relevantes Nettoeinkommen von gerundet 1.250 Euro. Die Antragsgegnerin arbeitet nur Teilzeit in ihrem erlernten Beruf als Hotel- und Gaststättengehilfin. Sie lässt sich aber fiktiv ein Ganztagseinkommen anrechnen. Sie hat bisher vor und in der 16 Jahre dauernden Ehe nur in diesem Beruf gearbeitet und könnte nach ihren Angaben an ihrem Wohnsitz insoweit einschl. Trinkgelder nur 1.050 Euro netto monatlich verdienen. Sie legte insoweit eine Bestätigung ihres derzeitigen Arbeitgebers über ein an dieser Arbeitsstelle erzielbares Einkommen aus Ganztagstätigkeit vor und beantragte hilfsweise Erholung einer Auskunft des Arbeitsamtes.
Das FamG wies den Prozesskostenhilfeantrag mangels Erfolgsaussicht ab mit der Begründung, die Antragsgegnerin könne bei BMW oder anderen ortsansässigen Firmen arbeiten und damit so viel verdienen, dass sie sich selbst unterhalten könne. Der Antrag auf Erholung einer Auskunft beim Arbeitsamt sei ein unzulässiger Ausforschungsbeweis.
Hiergegen legte die Antragsgegnerin form- und fristgerecht sofortige Beschwerde ein, der das FamG nicht abhalf.
II. Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache Erfolg.
Die Antragsgegnerin verfügt unter Berücksichtigung von Mietkosten und Freibeträgen über kein Prozesskostenhilfeeinkommen i.S.d. § 115 ZPO und ist daher bedürftig. Für ihren Antrag auf nachehelichen Unterhalt im Verbundverfahren i.H.v. 176 Euro besteht auch Erfolgsaussicht.
Das FamG hat bei seiner Entscheidung übersehen, dass die Antragsgegnerin nach § 1574 Abs. 1 BGB nach der Scheidung nur einer angemessenen und nicht jeder Tätigkeit nachzugehen hat. Gemäß § 1574 Abs. 2 BGB sind bei der Frage, welche Tätigkeit von ihr auszuüben ist, als subjektive Kriterien ihre Ausbildung, ihre in der Ehe erworbenen Fähigkeiten, der Gesundheitszustand, das Alter und die ehelichen Lebensverhältnisse zu prüfen. Wenn jemand wie die Antragsgegnerin den Beruf einer Hotel- und Gaststättengehilfin gelernt und zeitlebens, d.h. auch in der Ehe ausgeübt hat, kann von ihr daher nach § 1574 Abs. 2 BGB nicht verlangt werden, dass sie nunmehr in einer anderen Berufssparte als ungelernte Kraft tätig wird. Denn die Antragsgegnerin hat einen erlernten Beruf, den sie in der Ehe auch ausgeübt hat und der auch den ehelichen Lebensverhältnissen entspricht, nachdem ihr Ehemann im Hotelgewerbe tätig ist. Ein Berufswechsel der Antragsgegnerin könnte damit allenfalls verlangt werden, wenn sie im erlernten und ausgeübten Beruf keine Arbeitsplatzchance hätte und damit nach dem Grundsatz der Eigenverantwortung verpflichtet wäre, eine andere Tätigkeit aufzunehmen. Hierfür bestehen aber keine Anhaltspunkte.
Die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht dazu führen, dass die Rechtsverfolgung in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe vorverlagert wird und dieses dann an die Stelle des Hauptsacheverfahrens tritt (BVerfG FamRZ 1996, 664). Soweit die Antragsgegnerin zu dem in ihrem erlernten Beruf erzielbaren fiktiven Einkommen eine Schätzung vornimmt und diesbezüglich eine entspr. Bestätigung des Arbeitgebers vorlegt, kann damit nicht von vornherein gesagt werden, diese Schätzung sei viel zu niedrig, es sei denn, das Gericht könnte aus eigener Sachkunde ausführen, dass Frauen mit der Berufsausbildung Hotel- und Gaststättengewerbe im Gerichtsbezirk durchschnittlich einschl. Trinkgeld ein wesentlich höheres Einkommen erzielen können. Das FamG muss vielmehr im Hauptsacheverfahren dem Beweisantrag, bei dem es sich um keinen Ausforschungsbeweis handelt, nachgehen und eine Auskunft beim Arbeitsamt erholen, wenn es den Angaben der Antragsgegnerin nicht folgen will. Dies müsste es i.Ü. gem. § 287 ZPO auch von Amts machen, wenn die eigene Sachkunde für eine Schätzung fehlt. Damit ist für die Prüfung der Erfolgsaussicht im Prozesskostenhilfeverfahren von dem von der Antragsgegnerin angesetzten fiktiven Einkommen auszugehen, woraus sich der beantragte Unterhalt errechnet.
III. Zum weiteren Fortgang des Verfahrens weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
Nachdem ein Anspruch nach § 1573 Abs. 2 BGB besteht, liegt bei der vorliegenden Fallkonstellation mit einer 16 Jahre dauernden Ehe, aus der ein Kind hervorgegangen ist, das inzwische...