Leitsatz (amtlich)
Die Prüfung und Entscheidung, welches Rechtsmittel im konkreten Fall statthaft ist, hat der Anwalt selbst zu treffen und darf sie nicht seinem Personal überlassen.
Normenkette
WEG § 45 Abs. 1; FGG § 22 Abs. 2, § 29 Abs. 1, 4
Verfahrensgang
LG Regensburg (Beschluss vom 29.08.2006; Aktenzeichen 7 T 364/05 (1)) |
AG Cham (Aktenzeichen 7 UR II 4/04 WEG) |
Tenor
I. Der Antrag des Antragsgegners auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des LG Regensburg vom 29.8.2006 wird verworfen.
III. Der Antragsgegner trägt die gerichtlichen und die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.
IV. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 22.235,94 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin ist Verwalterin einer Hotelappartementanlage, in der der Antragsgegner Wohnungseigentum hat.
Nachdem der ursprüngliche Bauträger der Hotelanlage im Jahre 1994 Konkurs anmelden musste, beschlossen die damaligen Erwerber von Hotelappartements, das steckengebliebene Bauvorhaben fortzuführen. In einer Eigentümerversammlung vom 6.10.1996 genehmigten die Wohnungseigentümer bestandskräftig die bisherigen Beschlüsse der Erwerbergemeinschaft zur Fortführung des Bauvorhabens. Die Hotelanlage wurde schließlich im November 1996 eröffnet.
Die Antragstellerin macht nun in Verfahrensstandschaft gegen den Antragsgegner letztlich die Bezahlung rückständigen Hausgeldes für die Jahre 1999 bis 2003 in einer Gesamthöhe von 4.067,41 EUR, sowie restliche Herstellungskosten für das Appartement des Antragsgegners i.H.v. 14.151,98 EUR und eine anteilige Finanzierungsumlage i.H.v. noch 4.016,56 EUR geltend.
Mit Beschluss vom 23.5.2005 hat das AG den Antragsgegner antragsgemäß zur Zahlung von 22.235,94 EUR nebst Zinsen verurteilt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat das LG mit Beschluss vom 29.8.2006 zurückgewiesen. Gegen diesen, seinen Verfahrensbevollmächtigten am 4.9.2006 zugestellten Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners, die am 4.10.2006 beim Rechtsbeschwerdegericht eingelegt und mit der zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsbeschwerdefrist beantragt worden ist.
II. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung ist nicht stattzugeben. Damit ist die sofortige weitere Beschwerde als verfristet zu verwerfen.
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist zulässig, aber unbegründet, weil die Versäumung der Frist ihren Grund in einem Verschulden des anwaltlichen Vertreters des Antragsgegners hat, das diesem zuzurechnen ist (§ 22 Abs. 2 Satz 2 FGG).
a) Gegen die Entscheidung des LG ist die sofortige weitere Beschwerde gem. § 45 Abs. 1 WEG statthaft. Sie ist binnen einer Frist von 2 Wochen einzulegen (§ 22 Abs. 1 FGG). Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem die Entscheidung dem Beschwerdeführer bekanntgemacht worden ist (§ 29 Abs. 4, § 22 Abs. 1 FGG), hier also am 4.9.2006. Sie endete folglich mit Ablauf des 18.9.2006.
b) Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die der Antragsgegner zugleich mit der Beschwerdeeinlegung am 4.10.2006 beantragt hat, kommt nicht in Betracht, da das Fristversäumnis auf einem Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners beruht, das sich dieser nach § 22 Abs. 2 Satz 2 FGG, § 45 Abs. 1 WEG zurechnen lassen muss.
aa) Die Einhaltung der Beschwerdefristen im Wohnungseigentumsverfahren muss von einem Rechtsanwalt mit der gleichen Sorgfalt überwacht werden wie die Einhaltung der Rechtsmittelfristen im Zivilprozess (BayObLG v. 2.6.1987 - BReg.2 Z 29/87, NJW-RR 1987, 1424 [1425]). Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH NJW-RR 2001, 1072) kann ein Anwalt die Berechnung der allgemein anfallenden einfachen Fristen sowie die Führung des Fristenkalenders im Rahmen einer von ihm zu verantwortenden Büroorganisation auf sein geschultes, als zuverlässig erprobtes und sorgfältig überwachtes Personal zur selbständigen Erledigung übertragen. Kommt es zu einem organisationsunabhängigen Versagen von Angestellten bei der Fristenberechnung und/oder Fristenkontrolle und damit zu einem Fristversäumnis, so kann dieses dem Anwalt und damit auch dem Beschwerdeführer, nicht zugerechnet werden.
bb) Der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners hat zur Fristversäumung vorgetragen und glaubhaft gemacht:
Er habe die Berechnung der allgemein anfallenden, einfachen Fristen sowie die Führung des Fristenkalenders in seiner Kanzlei auf das geschulte und als zuverlässig erprobte und sorgfältig überwachte Personal zur selbständigen Erledigung übertragen. Rechtsmittelfristen würden am Tage des Posteingangs jeweils durch eine erfahrene Rechtsanwaltsfachangestellte notiert. Die Bürovorsteherin der Kanzlei, eine Rechtsfachwirtin, kontrolliere regelmäßig die Einhaltung der Kanzleivorgaben und prüfe auch stichprobenhaft die Fristenkontrolle und -überwachung. Im...