Entscheidungsstichwort (Thema)
Nicht zu ersetzender Nachteil, Anordnung der sofortigen Wirksamkeit, Antragsgegner, Ehegattenunterhalt, Unterhaltsforderung, Sofortige Wirksamkeit, Zwei-Wochen-Frist, Einstellung der Vollstreckung, Nachehelichenunterhalt, Vorabentscheidung, Unterhaltstitel, Überwiegende Erfolgsaussicht, gesetzgeberische Wertentscheidung, Beschwerdeverfahren, Unterhaltsverpflichtung, Beschwerdegericht, Zurückweisung des Antrags, Familiengerichte, Hinweisbeschluss, Rechtsmittel
Verfahrensgang
AG München (Beschluss vom 02.02.2023; Aktenzeichen 545 F 1890/17) |
Tenor
Der Antrag der Antragsgegnerin vom 16.01.2024 auf Anordnung der sofortigen Wirksamkeit wird abgewiesen.
Gründe
I. Das Amtsgericht hat den Antragsteller mit Beschluss vom 02.02.2023 in Ziffer 3 seiner Entscheidung u.a. zur Bezahlung von nachehelichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 5.150,00 Euro monatlich bis zum 31.12.2030 verpflichtet. Eine Entscheidung nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG (Anordnung der sofortigen Wirksamkeit) ist unterblieben.
Mit Antrag vom 16.01.2024 beantragt die Antragsgegnerin die sofortige Wirksamkeit der Endentscheidung des Amtsgerichts München vom 02.02.2023 zu Ziffer 3 bezüglich der Zahlung von nachehelichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 5.150,00 EUR bis zum 31.12.2030 anzuordnen.
Der Antragsteller beantragt
die Zurückweisung des Antrags.
II. Der Antrag der Antragsgegnerin vom 16.01.2024 ist zulässig, aber unbegründet.
Ist die Entscheidung - wie hier - nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG versehentlich unterblieben, ist strittig, ob die Anordnung im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden kann oder beim Familiengericht gemäß § 120 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit §§ 716, 321 ZPO die Ergänzung der Entscheidung innerhalb der Zweiwochenfrist des § 321 Abs. 2 ZPO beantragt werden muss. Nach wohl herrschender Meinung kann das Oberlandesgericht gemäß § 120 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit § 718 Abs. 1 ZPO im Wege der Vorabentscheidung die sofortige Wirksamkeit anordnen (zum Ganzen Zöller/Feskorn, ZPO 35. Aufl. 2024, § 116 FamFG Rn. 17 m.w.N.).
Dabei ist regelmäßig die Anordnung auf den laufenden Unterhaltszeitraum zu beschränken (OLG Bamberg, Beschluss vom 22.06.2012 -2 UF 296/11, BeckRS 2012,18395).
Von nicht zu ersetzenden Nachteilen für den Antragsteller ist auszugehen, da die Antragsgegnerin, entsprechend ihres eigenen Vortrags, derzeit weder über Einkommen noch über Vermögen verfügt.
Drohenden Wertungswidersprüchen zwischen den Vorschriften des § 120 Abs. 2 S. 3 FamFG einerseits und des § 116 Abs. 3 S. 3 FamFG andererseits lässt sich nach Einschätzung des Senats ausreichend und wirkungsvoll auf Ermessensebene begegnen. Einer - angesichts des einheitlichen Gesetzeswortlauts schwer zu begründenden - restriktiven Auslegung des Tatbestandsmerkmals "nicht zu ersetzender Nachteil" im Fall der Vollstreckung laufender Unterhaltsforderungen bedarf es insoweit nicht (OLG Karlsruhe NJW 2018, 1409).
Bejaht man in Fällen wie dem vorliegenden die Gefahr des Eintritts nicht zu ersetzender Nachteile für den Unterhalts-(titel-)schuldner, so eröffnet dies ein Ermessen des Beschwerdegerichts, in dessen Rahmen typischerweise neben den wirtschaftlichen Auswirkungen der unterschiedlichen möglichen Entscheidungen auch die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels abzuwägen sind (vgl. nur Zöller/Herget, a.a.O. § 707 Rn. 7 ff.). Hier bietet sich ohne Weiteres die Möglichkeit, auch der gesetzgeberischen Wertentscheidung nach § 116 Abs. 3 S. 3 FamFG Rechnung zu tragen: In Fällen der Vollstreckung laufender Unterhaltsforderungen muss es dann im Regelfall dabei bleiben, dass der (Titel-) Schuldner das Risiko einer sich später als ungerechtfertigt erweisenden Vollstreckung trägt. Atypische Sonderfälle, in denen eine Einstellung der Vollstreckung ausnahmsweise in Betracht kommen könnte, wären etwa Fälle evidenter Begründetheit der gegen den zu vollstreckenden Titel gerichteten Beschwerde oder Fälle exorbitant hoher Unterhaltsverpflichtungen (OLG Karlsruhe NJW 2018, 1409).
So liegt der Fall aber hier. Wie im Hinweisbeschluss des Senats vom selben Tag ausgeführt, ist vorliegend von einer überwiegenden Erfolgsaussicht des Antragstellers für seine Beschwerde gegen die Verpflichtung zur Zahlung von nachehelichen Unterhalt auszugehen. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird insoweit in vollem Umfang auf den Beschluss des Senats vom 07.02.2024 Bezug genommen.
Fundstellen
Haufe-Index 16229388 |
NJW 2024, 8 |