Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederherstellung zerstörter oder abhanden gekommener Grundbücher und Urkunden
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Verordnung über die Wiederherstellung zerstörter oder abhanden gekommener Grundbücher und Urkunden vom 26.7.1940 (RGBl. I S. 1048) § 11.
2. Die bis ins Jahr 2017 unbeanstandet gebliebene Bezeichnung einer persönlichen beschränkten Dienstbarkeit als "Benützungsbeschränkung" in einem Eintragungsvermerk des Jahres 1911 ist nicht als eine ihrem Inhalt nach unzulässige Eintragung von Amts wegen zu löschen, selbst wenn die in Bezug genommene Bewilligungsurkunde kriegsbedingt zerstört wurde. Vielmehr ist von Amts wegen ein Verfahren zur Urkundenwiederbeschaffung einzuleiten.
Tenor
I. Die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts München - Grundbuchamt - vom 23. Januar 2017 wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das Grundstück des Beteiligten ist in Abteilung II des Grundbuchs wie folgt belastet:
Lfd. Nr. 1: Baubeschränkung für L. M; gemäß Bewilligung vom 27.5.1911; eingetragen am 2.6.1911.
Lfd. Nr. 2: Bau-, Benützungs- und Gewerbebetriebsbeschränkung für L. M; gemäß Bewilligung vom 9.11.1911; eingetragen am 15.11.1911.
Lfd. Nr. 3: Gewerbebetriebs- und Benützungsbeschränkung für Immobiliengesellschaft ...; gemäß Bewilligung vom 27.2.1920, 6.10.1920; eingetragen am 4.1.1921; hinsichtlich der Errichtung von Kaufläden, Geschäften und gewerblichen Anlagen gelöscht am 3.1.1934.
Lfd. Nr. 4: Baubeschränkung für L. M; gemäß Bewilligung vom 10.6.1926; eingetragen am 9.7.1926.
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Über den ihn vertretenden Notar richtete der Beteiligte am 19.1.2017 an das Grundbuchamt den so bezeichneten "Antrag", die vorgenannten Dienstbarkeiten wegen Unzulässigkeit zu löschen. Der Inhalt dieser Rechte lasse sich den Grundakten nicht entnehmen. Deren Bezeichnung im Eintragungsvermerk lasse die rechtliche Natur und besondere Art der Rechte mangels Aussage- und Kennzeichnungskraft nicht erkennen. Die Bezugnahme auf die jeweiligen Bewilligungen könnten dieses Defizit nicht ausgleichen, zumal die Urkunden im Krieg verbrannt seien. Aus der Grundakte ergebe sich somit nicht, in welche Richtung die Benutzungs- und Baubeschränkungen gingen.
Mit Beschluss vom 23.1.2017 hat das Grundbuchamt die als Anregung auf Löschung von Amts wegen ausgelegten Anträge zurückgewiesen, weil die Rechte im Grundbuch ausreichend bestimmt bezeichnet seien und die Zerstörung der Bewilligungsurkunden nicht zur Unrichtigkeit des Grundbuchs führe. Zum Vollzug der beantragten Löschungen sei daher die Bewilligung der Berechtigten erforderlich, die nicht durch Zwischenverfügung aufgegeben werden könne.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der - nun anwaltlich vertretene - Beteiligte mit der Beschwerde, mit der er begehrt, das Grundbuchamt zur Löschung der unter den lfd. Nrn. 1 und 4 eingetragenen Baubeschränkungen sowie unter lfd. Nr. 2 eingetragenen Bau-, Benützungs- und Gewerbebetriebsbeschränkung anzuweisen. Weil den Grundbucheintragungen nicht zu entnehmen sei, worauf die eingetragenen Beschränkungen abzielen, und eine Konkretisierung infolge unwiederbringlicher Zerstörung der Bewilligungsurkunden unmöglich sei, würden die Eintragungen gegen das sachenrechtliche Bestimmtheitsgebot verstoßen; sie seien deshalb als unzulässig zu löschen.
Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.
II. Die mit dem Ziel, (nur) die zugunsten der L. eingetragenen beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten (lfd. Nr. 1, 2 und 4 der Zweiten Abteilung) zur Löschung zu bringen, eingelegte Beschwerde erweist sich als statthaft gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 2 Satz 2 GBO (vgl. OLG Karlsruhe FGPrax 2014, 49/50; Hügel/Holzer GBO 3. Aufl. § 53 Rn. 88; Demharter GBO 30. Aufl. § 71 Rn. 26) und auch im Übrigen als zulässig (§ 73 GBO, § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG).
In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, da die beanstandeten Eintragungen nicht ihrem Inhalt nach unzulässig sind.
1. Eine Eintragung ist als inhaltlich unzulässig von Amts wegen gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO zu löschen, wenn ein Recht mit dem Inhalt oder in der Ausgestaltung der Eintragung aus Rechtsgründen nicht bestehen kann (BGH FGPrax 2015, 5/6; Demharter § 53 Rn. 42). Eine Eintragung kann vor allem dann ein Recht nicht zum Entstehen bringen und daher (von Anfang an) rechtlich unwirksam sein, wenn sie ein nicht eintragungsfähiges Recht, ein Recht mit einem nicht erlaubten Inhalt oder ein Recht ohne den gesetzlich gebotenen Inhalt verlautbart.
Letzteres ist unter anderem der Fall, wenn der Eintragungsvermerk den wesentlichen Inhalt des Rechts nicht kennzeichnet oder in einem wesentlichen Punkt so unklar ist, dass die Bedeutung des Eingetragenen auch bei zulässiger Auslegung nicht festgestellt werden kann. Dabei muss sich die inhaltliche Unzulässigkeit aus dem Eintragungsvermerk und den dort in zulässiger Weise in Bezug genommenen Eintragungsunterlagen zur Überzeugung des Grundbuchamts oder des im Beschwerdeverfahren an seine Stelle tr...