Entscheidungsstichwort (Thema)
Coronavirus, SARS-CoV-2, Beschwerde, Befangenheit, Anordnung, Unparteilichkeit, Schriftsatz, Kinder, Verpflichtung, Haus, Besorgnis, Auseinandersetzung, Unvoreingenommenheit, Tochter, Partei, Ortstermin, einstweilige Anordnung, Besorgnis der Befangenheit
Leitsatz (amtlich)
Keine Befangenheit eines Bausachverständigen und einer Richterin wegen beabsichtigter Durchführung eines Ortstermins im Haus der Kläger trotz der erhöhten Corona-Infektionsgefahr für eine Tochter der Kläger.
Normenkette
ZPO §§ 42, 406 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 18.05.2021; Aktenzeichen 8 O 21304/15) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Kläger mit Schriftsatz vom 04.06.2021 gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 18.05.2021, durch den die Befangenheitsanträge gegen die VRi'inLG N. und den Sachverständigen E. zurückgewiesen wurden, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Kläger.
3. Den Parteien wird aufgegeben, bis spätestens 23.07.2021 zum Zweck der Festsetzung des Beschwerdewerts den Streitwert der Klage und den daraus auf die Begutachtung durch den Sachverständigen E. entfallenden Streitwertteil mitzuteilen.
Gründe
I. Im Rahmen der gegenständlichen Klage wegen Baumängeln am Wohnhaus der Kläger beauftragte das Landgericht mehrere Sachverständige, unter anderem den Sachverständigen E. für den Bereich Elektrotechnik. Durch Schreiben vom 22.02.2021 bestimmte er nach Abstimmung mit den Parteien einen Ortstermin im Haus der Kläger für 27.04.2021, 14.00 Uhr.
Im Hinblick auf das aktuelle Infektionsgeschehen bat die Klägerin den Sachverständigen telefonisch am 15.04.2021 um Verschiebung des Ortstermins. Dies teilte der Sachverständige dem Gericht und dem Beklagtenvertreter mit. Unter Auseinandersetzung mit der geltenden InfektionsschutzmaßnahmenVO und der Tatsache, dass eines der drei Kinder der Kläger zu einer Risikogruppe gehört, teilte VRi'inLG N. durch Verfügung vom 19.04.2021 mit, dass der Ortstermin stattzufinden habe. Durch Schreiben vom 22.04.2021 dokumentierte der Sachverständige sein Vorgehen nach dem Anruf der Klägerin und teilte mit, sich um eine möglichst zügige Durchführung des Ortstermins zu bemühen, so dass mit einer Gesamtdauer von maximal 1,5 - 2 Stunden zu rechnen sei. Daraufhin ließen die Kläger durch Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 22.04.2021 die VRi'inLG N. und den Sachverständigen E. wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen.
Unter dem 23.04.2021 bzw. 29.04.2021 nahmen beide dazu Stellung. Den Ortstermin vom 27.04.2021 sagte der Sachverständige durch Schreiben vom 26.04.2021 ab und bat das Gericht um Anweisung zum weiteren Vorgehen.
Außerdem beantragten die Kläger durch Fax-Schreiben vom 26.04.2021 beim Verwaltungsgericht München eine einstweilige Anordnung auf Verpflichtung des Freistaats Bayern auf Absetzung der für 27.04.2021 angesetzten Ortstermine des Sachverständigen R. um 11 Uhr und des Sachverständigen E. um 14.00 Uhr (Az. M 30 E 21.2225) und nahmen diesen Antrag durch weiteres Fax-Schreiben vom selben Tag wieder zurück.
Durch Schriftsätze vom 07.05.2021 und 20.05.2021 äußerten sich die Kläger zu den Stellungnahmen der Abgelehnten und bekräftigen ihre Anträge.
Durch Beschluss vom 18.05.2021 wies das Landgericht beide Befangenheitsanträge zurück. Dagegen ließen die Kläger durch Schriftsatz vom 04.06.2021 Beschwerde erheben und - im Hinblick auf die ihre Verfügung vom 21.05.2021 - die VRi'inLG N. erneut ablehnen, wozu sich diese unter dem 08.06.2021 äußerte.
Durch Beschluss vom 22.06.2021 wies das Landgericht den erneuten Ablehnungsantrag gegen Frau VRi'inLG N. zurück (Tenor Ziffer 1) und half der Beschwerde der Kläger nicht ab (Tenor Ziffer 2).
II. Die Befangenheitsanträge der Kläger gegen die VRi'inLG N. und den Sachverständigen E. sind zulässig, aber unbegründet (§§ 42, 406 Abs. 1 ZPO).
Um einen Richter oder Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehnen zu können, ist tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit nicht erforderlich; es genügt schon der "böse Schein", das heißt der mögliche Eindruck mangelnder Objektivität. Entscheidend ist, ob ein Prozessbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und Ergebnisoffenheit des Richters oder Sachverständigen zu zweifeln. Dabei kommen nur objektive Gründe in Betracht, die aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei im konkreten Einzelfall berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder der Unabhängigkeit des Abgelehnten aufkommen lassen.
Im Zusammenhang mit der Bestimmung und Absage des Ortstermins vom 27.04.2021, 14.00 Uhr besteht kein Anlass für solche Zweifel. Ganz offensichtlich war es nicht Intention der Abgelehnten, einer Prozesspartei den Vorzug zu geben.
Ob ein notwendiger Termin früher oder später stattfindet, ändert am Ergebnis nichts.
Der Sachverständige E. hat sich ausweislich seiner Dokumentation der Ereignisse nach dem Anruf der Klägerin vom 15.04.2021 um eine sachgerechte Lösung bemüht, hat zeitnah ...