Leitsatz (amtlich)
Anordnungen der Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament betreffend einen "Pflichtteils"- bzw. "Erbteilsverzicht" der Kinder bis beide Eltern verstorben sind, können für die wechselbezügliche Anordnung von deren Einsetzung als Schlusserben sprechen.
Normenkette
BGB §§ 2269-2271, 133, 2084
Verfahrensgang
AG Rosenheim (Beschluss vom 10.05.2016; Aktenzeichen VI 0514/14) |
Tenor
1. Die Beschwerden der Beteiligten zu 2 und 3 gegen den Beschluss des AG Rosenheim - Nachlassgericht - vom 10.5.2016 werden zurückgewiesen.
2. Die Beteiligten zu 2 und 3 haben die dem Beteiligten zu 1 im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 79.831 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die zulässigen Beschwerden haben in der Sache keinen Erfolg. Der Senat teilt die Auffassung des Nachlassgerichts, dass die Voraussetzungen für die von den Beschwerdeführern beantragte Erteilung eines Erbscheins mit einer Erbquote von je ½ nicht vorliegen.
Das gemeinschaftliche Testament vom 7.9.2000 enthält entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer eine Schlusserbeneinsetzung der Erblasserin zugunsten der gemeinsamen Kinder der Ehegatten, die wechselbezüglich im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB zu ihrer Erbeinsetzung durch den vorverstorbenen Ehemann ist. Demgemäß ist das von der Erblasserin am 27.7.2007 errichtete Testament, in dem sie den Beteiligten zu 2 und 3 ihr Wohneigentum zuwendet in entsprechender Anwendung des § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.
1. Eine ausdrückliche Erbeinsetzung findet sich in dem gemeinschaftlichen Testament vom 7.9.2000 lediglich in Bezug auf die Regelung des ersten Todesfalls eines der Ehegatten. In diesem Fall soll der überlebende Ehegatte "Alleinerbe" sein. Eine ausdrückliche Einsetzung eines Erbens nach dem Tod des überlebenden Ehegatten ist hingegen in dem Testament nicht angordnet. Die weiteren Verfügungen betreffen Anordnungen in Bezug auf die "Pflichtteile" und die "Erbteile" ihrer Söhne sowie die Zuwendung von Vermögensgegenständen bzw. - massen.
2. Im Ergebnis zu Recht hat daher das Nachlassgericht das gemeinschaftliche Testament in Bezug auf die Anordnung einer Schlusserbfolge in Bezug auf das Ableben des überlebenden Ehegatten als auslegungsbedürftig angesehen.
a) Maßgebend für die Annahme einer Schlusserbeneinsetzung ist, dass die Ehegatten neben dem ersten Erbfall auch den Fall des Ablebens des überlebenden Ehegatten abschließend regeln wollten und entsprechend dem gemeinsamen Willen der Ehegatten das beidseitige Vermögen als eine Einheit einem Dritten anfallen soll (vgl. NK-Erbrecht/Gierl 4. Auflage [2014] § 2269 Rn. 11 ff.).
b) Der Senat teilt die Auffassung des Nachlassgerichts, dass die Ehegatten vorliegend konkludent eine Schlusserbeneinsetzung getroffen haben. Denn die Ehegatten haben in dem gemeinschaftlichen Testament neben der Alleinerbeinsetzung des Überlebenden zugleich Anordnungen für den Fall bis bzw. nach dem Ableben des überlebenden Ehegatten getroffen. Ihre Anordnungen betreffend einen "Pflichtteils"- bzw. "Erbteilsverzicht" bis beide Eltern verstorben sind, legt den Schluss nahe, dass der Wille der Ehegatten darauf gerichtet war, dass der überlebende Ehegatten in den uneingeschränkten Genuss des ehelichen Vermögens gelangen sollte und ihre Kinder erst nach dem Ableben des überlebenden Ehegatten darauf Zugriff haben sollten. In dieser Anordnung kommt daher die Vorstellung der Ehegatten zum Ausdruck, dass das beidseitige Vermögen nach dem Ableben des überlebenden Ehegatten als eine Einheit ungeschmälert an einen Dritten übergehen soll.
c) Zu Recht ist das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass nach dem Willen der Ehegatten die Kinder der Ehegatten, M. und G. (= Beteiligter zu 1), gleichberechtigte (Mit-) Schlusserben zu je ½ sein sollten. Eine solche Auslegung findet ihre Stütze in den von den Ehegatten verwendeten Formulierung und Anordnungen betreffend ihre Kinder. "Beide" sollen auf ihren "Pflichtteil" bzw. Erbteil" bis zum Tod des überlebenden Ehegatten verzichten. Auch soll das nach Verteilung der Immobilie und der den Beteiligten zu 2 und 3 zugewendeten Geldbeträge noch vorhandene restliche Bargeld und Mobiliar unter ihren Söhnen aufgeteilt werden. Diese Regelungen legen den Schluss nahe, dass die Ehegatten ihre Kinder als gleichberechtigt in Bezug auf ihren Nachlass angesehen haben. Diese Vorstellung kommt auch in den Ausführungen in Bezug auf die Zuwendung der Immobilie an den Sohn "M." zum Ausdruck. Darin haben sie die Zuwendung der Eigentumswohnung in Rosenheim,... ausdrücklich "als Ausgleich" für die bereits zu ihren Lebzeiten erfolgte Übertragung des Grundstücks "..." angeordnet. Insoweit sollte dieser seinem Bruder "G." in wirtschaftlicher Hinsicht gleichgestellt werden.
In der Gesamtschau der von den Ehegatten verwendeten Formulierungen und Zuwendungen in Bezug auf ihre Kinder kommt der gemeinsame Wille der Ehegatten im Zeitpunkt der Testamentserrichtung zum Ausdruck, dass ihre Söhne ...