Leitsatz (amtlich)

Grundsätzlich hat derjenige, der ein Rechtsmittel zurücknimmt, die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Davon kann der Tatrichter absehen, wenn die Zurücknahme auf der vom Gericht vermittelten Einsicht in die Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels beruht und alsbald erfolgt. Dem kann aber entgegenstehen, dass die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung von Anfang an, etwa bei fälligen Wohngeldschulden, aussichtslos oder mutwillig war.

 

Normenkette

WEG § 47

 

Verfahrensgang

LG Augsburg (Beschluss vom 14.12.2004; Aktenzeichen 7 T 4595/04)

AG Augsburg (Aktenzeichen 3 UR II 30/04)

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des LG Augsburg v. 14.12.2004 dahingehend abgeändert, dass die Antragsgegnerin die der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren erwachsenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat.

II. Die Antragsgegnerin hat die gerichtlichen und die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 400 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin ist Verwalterin einer Wohnanlage. Sie macht in Verfahrensstandschaft für die übrigen Wohnungseigentümer Wohngeldansprüche für die Jahre 2003 und 2004 gegen die Antragsgegnerin geltend, der in der Anlage zwei Wohnungen gehören.

Das AG hat die Antragsgegnerin mit Beschluss v. 17.9.2004 verpflichtet, an die Antragstellerin Rückstände aus der Jahresabrechnung 2003 sowie das Wohngeld für Januar bis Februar 2004 von insgesamt 951,83 Euro zzgl. Zinsen, das Wohngeld für den Zeitraum März bis September 2004 i.H.v. 1.274 Euro sowie am 1.10., 1.11. und 1.12.2004 jeweils 182 Euro zu bezahlen. Das AG hat die Antragsgegnerin außerdem mit den gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Verfahrens belastet. Gegen den ihr am 23.9.2004 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin, zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertreten, mit Telefax v. 7.10.2004 sofortige Beschwerde eingelegt und auf dem Schriftstück vermerkt: "Zur Fristwahrung dieses Schreiben vorab per Fax". Das LG hat die nicht weiter begründete sofortige Beschwerde dem anwaltlichen Vertreter der Antragstellerin übermittelt, der am 25.10.2004 Zurückweisung beantragt hat. Am 11.11.2004 hat der nunmehrige anwaltliche Bevollmächtigte der Antragsgegnerin deren Vertretung angezeigt, Akteneinsicht begehrt und Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis 30.11.2004 beantragt. Mit Schriftsatz v. 29.11.2004 wurde das Rechtsmittel zurückgenommen.

Das LG hat mit Beschluss v. 14.12.2004 der Antragsgegnerin die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt, jedoch davon abgesehen, eine Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

II. Das nach § 45 Abs. 1 WEG, § 27 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1, § 20a Abs. 2 FGG zulässige Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Das LG hat ausgeführt:

Bei der Rücknahme eines Rechtsmittels seien in der Regel dem Rechtsmittelführer auch die außergerichtlichen Kosten des Rechtsmittelgegners aufzuerlegen. Eine Ausnahme vom Grundsatz der Erstattungspflicht sei jedoch anzuerkennen, wenn das Rechtsmittel ausdrücklich nur zur Fristwahrung eingelegt werde.

2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Nach der Zurücknahme der sofortigen Beschwerde hat das LG gem. § 47 WEG nach billigem Ermessen über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden. Das Rechtsbeschwerdegericht kann diese Entscheidung nur daraufhin überprüfen, ob der Tatrichter die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten, insb. ob er wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen, sich mit den Denkgesetzen in Widerspruch gesetzt oder sonst von seinem Ermessen einen dem Sinn und Zweck des Gesetzes widersprechenden Gebrauch gemacht hat (BayObLG v. 7.5.1997 - 2Z BR 135/96, BayObLGZ 1997, 148 [151] = MDR 1997, 727, m.w.N.; WuM 2003, 296).

b) Nach der Rechtsprechung des BayObLG hat grundsätzlich derjenige, der ein Rechtsmittel zurücknimmt, neben den gerichtlichen auch die außergerichtlichen Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Ausnahmsweise kann jedoch von der Anordnung einer Kostenerstattung abgesehen werden, wenn eine alsbaldige Zurücknahme des Rechtsmittels auf der vom Gericht vermittelten Einsicht in dessen Aussichtslosigkeit beruht (BayObLG v. 4.3.1999 - 2 Z BR 17/99, NJW-RR 1999, 1245). Jedoch sind darüber hinaus auch weitere Umstände zu berücksichtigen, die zur Anordnung einer Kostenerstattung führen können, so etwa die offensichtliche Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung oder der Rechtsverteidigung (BayObLG ZWE 2002, 78; NZM 2003, 521; ferner Beschl. v. 8.4.2004 - 2Z BR 57/04; Beschl. v. 8.4.2004 - 2Z BR 21/04).

c) Nach diesen Grundsätzen, denen sich der Senat anschließt, entspricht es der Billigkeit, für das Beschwerdeverfahren zugunsten der Antragstellerin eine Kostenerstattung anzuordnen. Das Rechtsmittel wurde nicht ausdrücklich nur zur Fri...

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