Verfahrensgang

LG Augsburg (Entscheidung vom 23.03.2010; Aktenzeichen 1 AIC StVK 75/10)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Verurteilten C... V... wird der Beschluss der Auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg im Bereich des Amtsgerichts Aichach vom 23.03.2010 in Ziffer 3 d) aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats, auch über die Kosten der Beschwerde, an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Die Beschwerdeführerin ist verurteilt von der 2. Strafkammer des Landgerichts München I am 19.10.2005, rechtskräftig seit 27.10.2005, wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer mit versuchtem Raub zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren. Daneben wurde die Unterbringung in eine Entziehungsanstalt angeordnet.

Nachdem durch die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Memmingen durch Beschluss vom 09.04.2009 die Unterbringung für erledigt erklärt und die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde, wird die Freiheitsstrafe von 4 Jahren am 01.08.2010 vollständig vollstreckt sein.

Am 10.02.2010 nahm die Justizvollzugsanstalt Aichach zum Eintritt der Führungsaufsicht und etwaigen Weisungen Stellung.

Die Staatsanwaltschaft München I stellte mit Verfügung vom 17.02.2010 hierzu Anträge.

Die Verurteilte wurde hierzu am 09.03. und am 23.03.2010 mündlich angehört.

Mit Beschluss vom 23.03.2010 ordnete die Auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg im Bereich des Amtsgerichts Aichach an, dass die Führungsaufsicht nach vollständiger Verbüßung der Freiheitsstrafe und die gemäß Beschluss vom 09.04.2009 eingetretene Führungsaufsicht nicht entfallen, setzte deren Dauer auf 5 Jahre fest, bestellte der Verurteilten für die Dauer der Führungsaufsicht einen Bewährungshelfer und erteilte ihr gemäß § 68 b StGB in Ziffer 3 Weisungen hinsichtlich Wohnsitz, hinsichtlich Kontakthaltung zum Bewährungshelfer und hinsichtlich Arbeitslosigkeit. In Ziffer 3 d) wurde die Beschwerdeführerin angewiesen, sich des Besitzes und des Konsums ungenehmigter Drogen zu enthalten, und sich auf Veranlassung ihres/r Bewährungshelfers/in einem entsprechenden Screening durch Abgabe von Urin- und/oder Haarproben zu unterziehen und das Ergebnis schriftlich nachzuweisen (§ 68 b Abs. 1 Ziffer 10 StGB).

Gegen diesen ihrem Verteidiger am 06.04.2010 zugestellten Beschluss legte die Beschwerdeführerin mit eigenhändigem Schreiben vom 06.04.2010, bei Gericht eingegangen am 07.04.2010, "Beschwerde" ein und begründete ihr Rechtsmittel mit Verteidigerschriftsatz vom 08.04.2010, wobei das Ziel des Rechtsmittels nur der Wegfall der Haarprobe in der in Ziffer 3 d) erteilten Weisung sein soll.

Die Auswärtige Strafvollstreckungskammer half durch Beschluss vom 06.05.2010 der Beschwerde nicht ab.

II. Die Beschwerde gegen die in Ziffer 3 d) enthaltene Weisung, sich auch einer Haarprobe zu unterziehen, ist gemäß §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 Satz 1, 306 Abs. 1 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Gemäß §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 Satz 2 StPO kann eine Beschwerde gegen eine Weisung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Weisung gesetzwidrig ist. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sie im Gesetz keine Stütze findet, das eingeräumte Ermessen vom Gericht überschritten oder missbraucht oder die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt worden wären.

Gesetzliche Grundlage für die in Ziffer 3 d) enthaltene Weisung ist § 68 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB insoweit, als sich die Beschwerdeführerin des Besitzes und des Konsums ungenehmigter Drogen zu enthalten hat.

Grundsätzlich kann zur Kontrolle der Befolgung dieser Weisung auch die Abgabe von Drogenscreenings angeordnet werden, wobei die Abgabe von Urinkontrollen keinerlei Bedenken begegnet. Nach Auffassung des Senats begegnet jedoch die alternativ angeordnete Entnahme von Haarproben insoweit Bedenken, als dies vom Wortlaut des § 68 b Abs. 1 Satz 1 Ziffer 10 StGB nicht umfasst ist. Dort sind lediglich Kontrollen erlaubt, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind. Da jedoch auch die menschlichen Haare zur Körpersubstanz gehören, stellt eine Haarprobe, also das Abschneiden von Haaren, einen - wenn auch nur geringfügigen - körperlichen Eingriff dar. Dass Kontrollmaßnahmen, die mit körperlichen Eingriffen - und sei es auch nur geringfügiger Art - verbunden sind, nur mit der Einwilligung des Verurteilten möglich sind, hat der Gesetzgeber in § 68 b Abs. 2 Satz 4 StGB ausdrücklich klargestellt (Peglau, NJW 07/1558 ff./1559 f.). Dass die Entnahme von Haarproben gemäß § 68 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB gedeckt sein soll, kann auch nicht der Kommentierung im Karlsruher Kommentar-Senge, StPO, 6. Aufl., Rdnr. 6 zu § 81 a StPO, entnommen werden.

Denn dort ist nur ausgeführt, dass eine Veränderung der Haar- und Barttracht zwar keinen körperlichen Eingriff darstellt, es sich im Rahmen des § 81 a StPO aber allenfalls um eine vorbereitende Maßnahme han...

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