Entscheidungsstichwort (Thema)

Eintragungsfähigkeit eines bedingt bestellten Nießbrauchs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur (bejahten) Eintragungsfähigkeit eines Nießbrauchs, der erst und nur entsteht, wenn die Bestellerin zu Lebzeiten des Berechtigten geschäftsunfähig werden sollte und wenn bei Eintritt der Geschäftsunfähigkeit der Bestellerin die Lebensgemeinschaft zwischen dieser und dem Berechtigten besteht.

2. Ein aufschiebend und/oder auflösend bedingt bestelltes Nießbrauchsrecht ist seinem Entstehens- wie in seinem Erlöschenstatbestand so genau zu bezeichnen, dass seine Existenz - im Streitfall gegebenenfalls durch das Prozessgericht - eindeutig feststellbar ist. Das Recht muss zwar aufgrund objektiver Umstände bestimmbar und für einen Dritten erkennbar und verständlich sein. Allerdings können die objektiven Umstände außerhalb des Grundbuchs liegen, sofern sie nachprüfbar und wenigstens in der Eintragungsbewilligung angedeutet sind.

3. Die Bestimmtheit ist meist dann sichergestellt, wenn der verwendete Begriff oder die verwendete Umschreibung durch Gesetz oder Rechtsprechung näher ausgefüllt ist und dadurch einen objektiv bestimmbaren Bedeutungsinhalt gewonnen hat.

 

Normenkette

BGB § 104 Nr. 2, §§ 158, 1030; GBO § 29

 

Verfahrensgang

AG Laufen (Beschluss vom 24.10.2016)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des AG Laufen - Grundbuchamt - vom 24.10.2016 aufgehoben.

II. Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Antrag vom 29.8.2016 auf Eintragung des Nießbrauchs im Grundbuch des AG Laufen von Freilassing Bl ... nicht wegen mangelnder Bestimmtheit der Bedingung für dessen Entstehen zurückzuweisen.

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 1 ist im Grundbuch als Eigentümerin eines mit einem Wohngebäude bebauten Grundstücks eingetragen. Zu notarieller Urkunde vom 17.8.2016 (Ziffer II.) räumte sie ihrem Lebensgefährten, dem Beteiligten zu 2, das unentgeltliche Nießbrauchsrecht an dem Grundbesitz ein, welches erst und nur entsteht,

1. wenn (die Beteiligte zu 1) zu Lebzeiten des (Beteiligten zu 2) geschäftsunfähig werden sollte oder

2. (die Beteiligte zu 1) aus der Wohnung ... ausziehen sollte, oder

3. wenn und sobald (die Beteiligte zu 1) verstorben ist und wenn im Zeitpunkt des Todes oder bei Eintritt der Geschäftsunfähigkeit oder unmittelbar vor dem Auszug von (der Beteiligten zu 1) die Lebensgemeinschaft zwischen den Beteiligten besteht.

Das Recht endet, wenn ...

Um Zweifel auszuschließen, gilt die Lebensgemeinschaft als beendet, wenn einer der Partner dies feststellt.

Die Eintragung des aufschiebend (und auflösend) bedingten Nießbrauchsrechts wurde bewilligt und beantragt mit der Maßgabe, dass zur Löschung der Nachweis des Todes des Berechtigten genügen soll.

Der Notar hat ferner noch folgende Feststellung getroffen:

Im Bezug auf die Bestimmtheit wird zum Inhalt von Ziffer II. festgestellt:

  • Die Geschäftsunfähigkeit ist legal definiert in § 104 BGB,
  • als Auszug gilt, wenn und sobald Frau (Beteiligte zu 1) ihren Hauptwohnsitz i.S. des Meldegesetzes nicht mehr in ... hat.

Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 14.10.2016 beanstandet, dass die erste Bedingung zur Entstehung des Nießbrauchs (Geschäftsunfähigkeit) nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz des Grundbuchs entspreche. Die Geschäftsunfähigkeit sei zwar per se definiert, jedoch nicht deren Eintritt. Somit sei der Zeitpunkt des Entstehens des Rechts nicht eindeutig feststellbar. Am 24.10.2016 hat es den Eintragungsantrag kostenpflichtig zurückgewiesen. Bedingungseintritt sei nicht etwa die Feststellung der Geschäftsunfähigkeit, sondern die Geschäftsunfähigkeit selbst, damit sei der Entstehungszeitpunkt für das Recht möglicherweise nie nachvollziehbar.

Hiergegen richtet sich die notarielle Beschwerde, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat.

II. Das nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1, § 73 GBO i.V.m. § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 FamFG zulässige Rechtsmittel gegen die abgelehnte Eintragung hat Erfolg. Aus den vom Grundbuchamt angeführten Gründen kann die Eintragung des Nießbrauchs nicht zurückgewiesen werden.

1. Ein Nießbrauch (§ 1030 BGB) kann als dingliches Grundstücksrecht aufschiebend und/oder, wenn er nicht auf Lebenszeit des Berechtigten bestellt wird (vgl. § 1061 BGB), auflösend bedingt (§ 158 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB) bestellt werden. Für die Art der Bedingung(en) bestehen wegen des grundbuchrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes regelmäßig keine Beschränkungen.

Freilich ist das Recht in seinem Entstehens- wie in seinem Erlöschenstatbestand so genau zu bezeichnen, dass seine Existenz - im Streitfall gegebenenfalls durch das Prozessgericht - eindeutig feststellbar ist. Das Recht muss aufgrund objektiver Umstände bestimmbar und für einen Dritten erkennbar und verständlich sein. Dabei können die objektiven Umstände jedoch außerhalb des Grundbuchs liegen, sofern sie nachprüfbar und wenigstens in der Eintragungsbewilligung angedeutet sind (BayObLGZ 1989, 442/446 f.; BayObLG Rpfleger 1985, 488). Unsicherheiten im Einzelfall stehen dem Bestimmtheitserfordernis nicht entgegen. D...

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