Leitsatz (amtlich)
1. Der Insolvenzverwalter ist zur Verfolgung des von einem Gläubiger vor Insolvenzeröffnung verfolgten Anfechtungsanspruchs für die Insolvenzmasse auch dann berechtigt, wenn das im Anfechtungsprozess zugunsten des Einzelgläubigers erlassene Urteil bereits rechtskräftig geworden, aber die Vollstreckung noch nicht durchgeführt ist (ebenso bereits RGZ 30, 67/70).
2. Spricht das Urteil die Duldung der Zwangsvollstreckung in einen bestimmten Vermögensgegenstand (hier: Grundstück) aus, lautet die Vollstreckungsklausel für den Insolvenzverwalter auf Rückauflassung und Eintragung des Insolvenzschuldners im Grundbuch. Der mit einer solchen Vollstreckungsklausel versehene rechtskräftige Titel löst die Fiktion des § 894 ZPO aus.
Normenkette
AnfG § 11 Abs. 1, § 16 Abs. 1; BGB § 873 Abs. 1, § 925; InsO §§ 129, 143; GBO § 20; ZPO §§ 727, 894
Verfahrensgang
AG Kempten (Beschluss vom 23.06.2016) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des AG Kempten (Allgäu) - Grundbuchamt - vom 23.6.2016 aufgehoben.
II. Das Grundbuchamt wird angewiesen, die Eintragung der Auflassung nicht wegen fehlender (wirksamer) Auflassungserklärung der Beteiligten zu 2 abzulehnen.
Gründe
I. Im Grundbuch ist die Beteiligte zu 2 als Grundstückseigentümerin auf Grund Auflassung vom 18.5.2010 seit 17.6.2010 eingetragen. Die frühere Eigentümerin U. T.-G., deren Mutter, ist am 17.1.2013 verstorben, das Nachlassverfahren wird beim örtlichen AG geführt und ist noch nicht abgeschlossen, die Erben sind bislang unbekannt, ein Nachlasspfleger ist bestellt. Über den Nachlass der Verstorbenen wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und zum Insolvenzverwalter zuletzt der Beteiligte zu 1 bestellt.
J. G., Sohn der Verstorbenen, hatte am 20.2.2014 gegen seine Schwester, die Beteiligte zu 2, ein seit 3.12.2015 rechtskräftiges Versäumnisurteil erstritten, nach dem diese als Beklagte verurteilt wird, die Zwangsvollstreckung in das Grundstück L. Straße 1 ... vorgetragen im Grundbuch ... zu dulden wegen eines Anspruches des Klägers aus der Pflichtteilsvereinbarung in der Urkunde des Notars Dr. R. in Höhe von EUR 125.000,- nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.07.2012.
Das Urteil trägt folgende von der Rechtspflegerin unter dem 1.10.2015 ausgefertigte Vollstreckungsklausel:
Vorstehende, mit der Urschrift übereinstimmende vollstreckbare Ausfertigung wird Herrn Rechtsanwalt (...) als Insolvenzverwalter über den Nachlass der am 17.1.2013 verstorbenen U. B. T.-G. als Rechtsnachfolger des Gläubigers J. G. zum Zwecke der Zwangsvollstreckung gegen die Beklagte Frau F. G. erteilt.
Die Beklagte ist zur Rückauflassung und Herausgabe des Grundstücks L. Straße 1 in ... verpflichtet.
Die Rechtsnachfolge ist durch Vorlage der Bestellungsurkunde des AG. - Insolvenzgericht - nachgewiesen; die Insolvenzforderung des Gläubigers J. G. ist festgestellt; Einsichtnahme in die Insolvenzakte ... des AG. ist erfolgt.
Zu notarieller Urkunde vom 17.3.2016 erklärte der Vorgänger des Beteiligten zu 1 in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über den Nachlass der verstorbenen U. T.-G., er nehme hiermit die in dem bezeichneten Titel angesprochene (Rück-)Auflassung entgegen und beantrage, das Eigentum an dem bezeichneten Grundbesitz von F. G. auf die unbekannten Erben der verstorbenen U. T.-G. umzuschreiben. Die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch wurde zugleich bewilligt und beantragt.
Das Grundbuchamt hat am 23.6.2016 den Vollzugsantrag zurückgewiesen. Es ist der Ansicht, die Auflassung sei durch die Eigentümerin nicht wirksam erklärt. Dies sei gemäß § 20 GBO zwingend zu prüfen. Das Versäumnisurteil vom 20.2.2014 enthalte nicht die Verurteilung zur Abgabe der Auflassungserklärung. Die erteilte Vollstreckungsklausel bescheinige zwar die Rechtsnachfolge (§ 727 ZPO), soweit sie aber den im Urteil titulierten Duldungsanspruch abändere, könne sie die Auflassungserklärung der Eigentümerin nur ersetzen, sofern die Klausel selbst eine der Rechtskraft fähige Entscheidung darstelle. Das sei aber nicht so; denn der Schuldner könne nach wie vor Klauselerinnerung bzw. Klauselklage (§§ 732, 768 ZPO) erheben. Deshalb sei möglicherweise die Modifizierung des Urteilsausspruchs in der Klausel zwar zulässig, genüge aber mangels Rechtskraft der Klauselerteilung selbst nicht den Voraussetzungen des § 894 ZPO. Für eine rechtsfortbildende Auslegung des § 894 ZPO dahingehend, dass die Rechtskraft eines Urteils auch die den Urteilstenor inhaltlich abändernde Vollstreckungsklausel rechtskräftig mache, sei keine Grundlage ersichtlich.
Der namens des Beteiligten zu 1 erhobenen Beschwerde - im Wesentlichen darauf gestützt, dass das Grundbuchamt die Richtigkeit des Titels in der Form, den dieser im Klauselumschreibungsverfahren gefunden habe, ohne eigene Prüfung hinnehmen müsse - wurde nicht abgeholfen.
Im Beschwerdeverfahren wird im Wesentlichen noch vorgebracht:
1. vom Beteiligten zu 1:
Die dem Titel zugrunde liegende Forderung sei nicht durch Zahlung erlos...