Leitsatz (amtlich)

1. Zur Anfechtung der in einem gemeinschaftlichen Testament getroffenen eigenen Verfügungen durch den überlebenden Ehegatten.

2. Die Verfügungen des verstorbenen Ehegatten bleiben wirksam, wenn er sie in gleicher Weise getroffen hätte, wenn die angefochtene Verfügung des anderen Ehegatten von vornherein nur den Inhalt gehabt hätte, den sie nach der Anfechtung hat.

3. Das kann der Fall sein, wenn der überlebende Ehegatte in Abänderung eines früheren gemeinschaftlichen Testaments mit gegenseitiger Allein- und Schlusserbeneinsetzung zum nicht befreiten Vorerben eingesetzt wird und die gemeinsamen Kinder zu Nacherben bestimmt werden.

 

Normenkette

BGB §§ 2078-2079, 2269-2270, 2281

 

Verfahrensgang

AG Lindau (Bodensee) (Beschluss vom 16.10.2014; Aktenzeichen VI 0457/93)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des AG Lindau vom 16.10.2014 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 150.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Erblasser (geb. 1905) ist im Juni 1993 nach längerer Krankheit verstorben. Die Ehefrau (Beteiligte zu 1), geb. 1920) beantragt nun nach der 2014 ausgesprochenen Adoption der Enkelin und der Anfechtung der gemeinschaftlichen Testamente die Erteilung eines Erbscheins aufgrund gesetzlicher Erbfolge, während der 1993 erteilte Erbschein sie als (nicht befreite) Vorerbin und die beiden gemeinsamen Töchter als Nacherben ausweist.

Die Beteiligten zu 2) und 3) sind die gemeinsamen Töchter des Erblassers und der Beteiligten zu 1). Die Beteiligte zu 2) hat eine 1965 geborene Tochter. Im September 2014 wurde deren Annahme als Kind durch die Beteiligte zu 1) ausgesprochen.

Ausweislich des von der Beteiligten zu 1) eingereichten Nachlassverzeichnisses vom August 1993 bestand der Nachlass im Wesentlichen aus dem hälftigen Anteil des Erblassers an dem von den Ehegatten bewohnten Anwesen in L., einem Grundstück von rund 1.000 qm, bebaut mit einem 1963 errichteten Haus. Ferner war er an einer Erbengemeinschaft beteiligt, die Eigentümerin von Grundbesitz in G. war. Den Wert des Hälfteanteils an dem Grundbesitz in L. hat das Nachlassgericht mit rund 500.000 DM angesetzt, den Anteil an der Erbengemeinschaft G. mit rund 311.000 DM. Im Nachlassverzeichnis sind Bankguthaben und Wertpapieren im Wert von 113.000 DM angegeben. Nach Angaben der Beteiligten zu 3) war außerdem in der Schweiz ein Ferienhaus nebst einem weiteren Grundstück vorhanden.

2. Es liegen zwei gemeinschaftliche Testamente vor. Das Testament vom 01.11.1981 lautet:

"(Ort, Datum) Unser letzter gemeinsamer Wille: Wir setzen uns hiermit gegenseitig zu Alleinerben ein. Nach dem Tod des Überlebenden fällt der gesamte Nachlass an unsere Kinder S. (Beteiligte zu 3) u. M. (Beteiligte zu 2) zu gleichen Teilen. Beim Ableben von ... (Ehefrau) erhält Enkelkind S. L. (Tochter der Beteiligten zu 2) vorab DM 30.000. Wer mit dieser Testamentsregelung nicht einverstanden sein sollte, gilt als auf den Pflichtteil gesetzt unter Anrechnung der erhaltenen Ausbildungskosten, Aussteuer und sonstigen Zuwendungen, die S. und M. zu gleichen Teilen erhalten haben. (Unterschrift Erblasser) Vorstehende letztwillige Verfügung soll auch als mein letzter Wille gelten. (Unterschrift Ehefrau)"

Das Testament vom 20.02.1993 lautet:

"Testament (Ort, Datum) Ich, Dr. C. Z. (Erblasser) und Frau G. Z. (Ehefrau) setzen uns gegenseitig zu beschränkten Vorerben ein. Nacherben sollen unsere Kinder S. u. M. sein. Sollte der Vorversterbende C. Z. sein, soll als Vermächtnis unseren Kindern S. und M. der Anteil an der Erbengemeinschaft Z. G. zukommen. Sollte die Vorversterbende G. Z. sein, entfällt das Vermächtnis Erbengemeinschaftsanteil Z. G.. Sollte G. Z. vorversterben, soll der Enkelin S. L. ein Vermächtnis in Höhe von 50.000 (fünfzig tausend) vorab zukommen. (Unterschriften)"

3. Aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments vom 20.02.1993 wurde am 16.11.1993 der Erbschein erteilt. Zu notarieller Urkunde vom 17.09.2014 erklärte die Beteiligte zu 1) die Anfechtung der gemeinschaftlichen Testamente vom 01.11.1981 und vom 20.02.1993 analog §§ 2281 ff. BGB i.V.m. § 2079 BGB; sie habe sich zum Zeitpunkt der Errichtung nicht vorstellen können, nach dem Tod ihres Ehemannes durch Adoption einen weiteren pflichtteilsberechtigten Abkömmling zu bekommen. Sie beantragte ferner die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins aufgrund gesetzlicher Erbfolge, der sie als Miterbin zu 1/2, die Beteiligten zu 2) und 3) als Miterben zu je 1/4 ausweist. Zu notarieller Urkunde vom 17.10.2014 erklärte sie die Anfechtung der gemeinschaftlichen Testamente vom 01.11.1981 und vom 20.02.1993 entsprechend §§ 2281 ff. BGB i.V.m. § 2078 BGB.

4. Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 16.10.2014 den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen mit der Begründung, § 2281 BGB gelte nur bei Erbverträgen. Die Anfechtung wechselbezüglicher Verfügungen in einem gemeinsamen Testament stehe nur dem übergangenen Pflichtteilsberechtigten zu, nicht aber dem überlebenden...

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