Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 6 O 5620/15) |
Tenor
1. Das Verfahren über die Streitwertbeschwerde ist gemäß § 240 ZPO unterbrochen.
2. Der Nichtabhilfebeschluss des Landgerichts München I vom 29.11.2022, Az. 6 O 5620/15, wird aufgehoben.
Gründe
I. Das Landgericht München I hat mit Beschluss vom 10.06.2022 den Streitwert auf 24.827.537,15 EUR festgesetzt. Gleichzeitig verkündete es ein Endurteil, gegen das die Beklagte am 14.07.2022 Berufung einlegte und nach Fristverlängerung am 16.09.2022 begründete. Der Klage liegen Forderungen von acht Gesellschaften einer Unternehmensgruppe zugrunde, die allesamt insolvent sind und für die der gleiche Insolvenzverwalter bestellt wurde.
Gegen die Streitwertfestsetzung wurde vom Klägervertreter "namens und in Vollmacht des Klägers" am 11.08.2022 Beschwerde eingelegt, mit dem Ziel, den Streitwert auf 2.000.000,00 EUR zu reduzieren (Bl. 678 d.A.).
Am 20.10.2022 wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet.
Mit Beschluss vom 29.11.2022 half das Landgericht - wohl in Unkenntnis der inzwischen erfolgten Insolvenzeröffnung - der Beschwerde nicht ab und legte die Akten dem Oberlandesgericht vor.
Ein Aufnahmeantrag in dem unterbrochenen Berufungsverfahren wurde nicht gestellt; das Insolvenzverfahren dauert an.
Mit Verfügung vom 03.05.2023 hat der Senat Hinweise erteilt, zu denen sich der Bevollmächtigte der Kläger mit Schriftsatz vom 24.05.2023 geäußert hat. Er ist der Meinung, das Beschwerdeverfahren sei nicht unterbrochen, ggf. könne der bestellte Insolvenzverwalter am Verfahren beteiligt werden.
II. Auf den Antrag des Klägervertreters hin, das Beschwerdeverfahren fortzusetzen und in der Sache zu entscheiden, ist zur Klarstellung die Unterbrechung des Beschwerdeverfahrens auszusprechen; die in Unkenntnis der Unterbrechung ergangene Nichtabhilfeentscheidung des Landgerichts ist deklaratorisch aufzuheben.
Es kann mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen, ob der Antrag auf Streitwertherabsetzung vom 11.08.2022 sowie die Beschwerde nur im Namen des Klägers zu 1) oder im Namen aller acht Kläger gestellt wurde. Der Schriftsatz verwendet den Singular, das dort verwandte Kurzrubrum nennt, wie auch in anderen früher eingereichten Schriftsätzen, den Kläger zu 1 "u.a".
1. Das Beschwerdeverfahren ist gemäß § 240 S. 1 ZPO unterbrochen.
Nach § 240 Satz 1 ZPO wird im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Die Vorschrift des § 240 ZPO betrifft jedoch nur Verfahren, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits rechtshängig sind. Ebenso wird ein nach Eintritt der Rechtskraft der Kostengrundentscheidung, aber vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingeleitetes Kostenfestsetzungsverfahren durch Insolvenzeröffnung gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen. Wird ein rechtshängiges Berufungsverfahren nach § 240 ZPO unterbrochen, so erfasst dessen Unterbrechungswirkung nach Auffassung des Senats auch ein ebenfalls vor Insolvenzeröffnung eingeleitetes Streitwertbeschwerdeverfahren, mit dem die in der ersten Instanz erfolgte Streitwertfeststetzung vom Beschwerdegericht überprüft werden soll. Anders liegt es möglicherweise bei einer nach Insolvenzeröffnung erfolgten Streitwertfestsetzung in einem Verfahren, bei dem das Urteil schon verkündet war (angedeutet bei BGH NJW 2000, 1199 mit Blick auf § 249 Abs. 3 ZPO) oder bei einer (isolierten) Streitwertbeschwerde, wenn das Hauptsacheverfahren schon vor Insolvenzeröffnung rechtskräftig abgeschlossenen war; beide Konstellationen liegen hier nicht vor.
Dieses Ergebnis steht in Einklang mit dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck der Unterbrechung nach § 240 Satz 1 ZPO. Sie soll dem Insolvenzverwalter, der das Verfahren bislang nicht kennt, die Möglichkeit geben, sich auf die durch Insolvenz einer Partei eingetretene Veränderung der Sachlage einzustellen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 29.06.2017 - I ZB 90/15 -, Rn. 9 - 11, juris m.w.N.). Hauptsacheverfahren und Nebenverfahren teilen dabei eine einheitliche prozessuale Behandlung, wenn auch das Nebenverfahren die Insolvenzmasse i.S.v. § 240 ZPO betrifft.
Zwar ließ der Bundesgerichtshof in der zuletzt genannten Entscheidung als nicht entscheidungsrelevant dahinstehen, ob Verfahren über Streitwertbeschwerden überhaupt nach § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen werden können. Nach dem Sinn und Zweck der Unterbrechung, wie sie der Bundesgerichtshof herausgearbeitet hat, muss jedoch auch ein anhängiges Streitwertbeschwerdeverfahren durch die Insolvenz einer Partei unterbrochen werden.
Der Eintritt der Unterbrechungswirkung nach § 240 ZPO setzt voraus, dass das anhängige Verfahren die Insolvenzmasse betrifft (§§ 35, 36 InsO). Eine Unterbrechung findet deshalb nur statt, wenn und soweit der Gegenstand des anhängigen Verfahrens ein Vermögensgegenstand ist, der rechtlich zur Insolvenzmasse gehören kann. Ein...