Leitsatz (amtlich)
Der fristwahrende Eingang eines Schriftsatzes kann zu fingieren sein, wenn lt. gerichtlichem Empfangsprotokoll die Übermittlung durch die Sendestelle abgebrochen wurde, jedoch feststeht, dass dieser lt. Sendebericht vollständig übermittelt wurde.
Normenkette
SpruchG §§ 1, 4
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 04.11.2013; Aktenzeichen 5 HK O 21191/13) |
Tenor
Der Beschluss des LG München I vom 4.11.2013 wird aufgehoben.
Gründe
I. Die Beschwerdeführerin hat am Tag des Ablaufs der Frist aus § 4 Abs. 1 Nr. 3 SpruchG (26.9.2013) per Telefax beim LG Antrag auf Bestimmung der Barabfindung von Minderheitsaktionären nach § 1 Nr. 3 SpruchG gestellt. Der bei den Akten befindliche Ausdruck des am 27.9.2013 eingegangenen 22-seitigen Originalschriftsatzes endet auf S. 5. Dort findet sich im Anschluss an die Ausführungen des Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin folgender Ausdruck:
"Von +49 72 ... 28 ... I An ...
Zeit 2013-09-26 08:48 I Dauer 1:251 Status Fehler I Seite 005/005 Fax-API-Fehler: Verbindung durch Gegenstelle abgebrochen".
In der Kopfzeile des ersten Blatts des Ausdrucks heißt es:
"26/09/2013 08:36 RA ..."
Nachdem das LG darauf hingewiesen hat, dass der Antrag infolge des verspäteten Eingangs des vollständigen Schriftsatzes am 27.9.2013 verfristet sei, hat die Beschwerdeführerin erklärt, dass die Frist infolge der rechtzeitigen Absendung des Faxschriftsatzes gewahrt sei. Dessen vollständige Übermittlung bestätige der "OK"-Vermerk auf dem vorgelegten Sendebericht. Hilfsweise werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Das LG hat mit Beschluss vom 4.11.2013 die Wiedereinsetzung abgelehnt. Der Antrag sei verfristet. Da es sich bei der Frist aus § 4 SpruchG um eine (materielle) Ausschlussfrist handele, könne Wiedereinsetzung nicht gewährt werden.
Dagegen wendet sich die Beschwerdeführerin. Da infolge des "OK"-Vermerks in dem Sendebericht ein Fehler in der Sphäre des Gerichts feststehe, dessen Faxgerät auch keine Fehlermeldung übermittelt habe, sei von Fristwahrung auszugehen. Im Übrigen sei Wiedereinsetzung zu gewähren, weil § 17 FamFG entgegen der Auffassung des LG anwendbar sei und sie die Antragsfrist schuldlos versäumt habe. Auf den Hinweis des Senats, dass nach Aktenlage von einer rechtzeitigen Antragstellung nicht ausgegangen werden könne, hat der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin eine eidesstattliche Versicherung seiner mit der Sachbearbeitung betrauten Mitarbeiterin vorgelegt, nach der diese den 22-seitigen Antragschriftsatz am 26.9.2013 morgens an das LG übermittelt habe. Nach Abschluss des Versendevorgangs habe sie sich durch den Ausdruck des vorgelegten Sendeberichts, der einen "OK"-Vermerk und eine Sendedauer von 6:49 Minuten ausgewiesen habe, von der korrekten und fristgerechten Übermittlung der Antragschrift überzeugt. Auf den Hinweis des Senats, dass nunmehr hinreichende Anhaltspunkte für die fristgerechte Einreichung der Antragsschrift vorlägen, hat die Beschwerdegegnerin nach Zustellung am 10.1.2014 keine Erklärung abgegeben.
II. Die Beschwerde hat Erfolg. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf gerichtliche Entscheidung ist rechtzeitig gestellt worden. Eine Entscheidung über das hilfsweise gestellte Wiedereinsetzungsgesuch war deshalb nicht erforderlich, so dass der Ausgangsbeschluss aufzuheben war.
1. Im vorliegenden Fall ist der Zugang des per Telefax am 26.9.2013 übermittelten Antrags am gleichen Tag zu fingieren, weil ausreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die abgesandten Signale - rechtzeitig - eingegangen sind, das Empfangsgerät aber keinen vollständigen Ausdruck gefertigt hat.
2. Bei der Beurteilung dieser Frage dürfen die aus der Eröffnung der Möglichkeit der Übermittlung von bestimmenden Schriftsätzen per Fax resultierenden Risiken nicht auf den Nutzer dieses Übermittlungswegs abgewälzt werden. Dies gilt nicht nur für Störungen des Empfangsgeräts im Gericht. Auch Störungen der Übermittlungsleitungen sind dem gewählten Übermittlungsmedium immanent, da ein Telefax nur über sie zum Empfangsgerät gelangt. Erst Leitungen und Gerät gemeinsam stellen die vom Gericht eröffnete Zugangsmöglichkeit dar. Auch bei einer Leitungsstörung versagt daher die von der Justiz angebotene Zugangseinrichtung. Der Nutzer hat mit der Wahl eines anerkannten Übermittlungsmediums, der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn er - wie im vorliegenden Fall - rechtzeitig - am Morgen des letzten Tags der Antragsfrist - mit der Übermittlung beginnt (vgl. BVerfG NJW 1996, 2857, bestätigt durch BVerfG NJW 2001, 3473, s. a. BGH, Beschl. v. 11.12.2013 - XII ZR 229/13, Rz. 6 m.w.N.).
3. Insoweit hat die Beschwerdeführerin glaubhaft gemacht, dass die Mitarbeiterin ihres Verfahrensbevollmächtigten am 26.9.2013 um 8:36 Uhr die 22-seitige Antragsschrift in das Telefaxgerät eingelegt und dieses die korrekte Übermittlung um 9:08 innerhalb 6:49 Minuten be...