Leitsatz (amtlich)
1. Ein Zusammenschluss von Einzelpersonen in der Form eines Vereins zum Zweck der Verfolgung eines gemeinsamen Ziels verleiht noch keine Befugnis, sich Informationen aus dem Grundbuch über Rechtsverhältnisse an einem bestimmten Grundstück zu verschaffen. Auch das bloße Interesse, etwa mit dem Eigentümer zukünftig in einen wirtschaftlichen oder sozialen Kontakt zu treten, um auf ihn, auf dessen Mieter oder Besucher im Sinne des Vereinszwecks einzuwirken, genügt nicht.
2. Ein solcher Verein erhält auch nicht schon aus seinem autonom gesetzten Zweck die Befugnis, die Interessen der Allgemeinheit selbst wahrzunehmen und gegenüber Dritten durchzusetzen.
Normenkette
GBO § 12; GG Art. 5 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1
Verfahrensgang
AG München - Grundbuchamt (Beschluss vom 13.05.2016; Aktenzeichen AB-14875) |
Tenor
I. Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des AG München - Grundbuchamt - vom 13.5.2016 wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligte, eine so genannte Bürgerinitiative in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins, beantragte mit (Fax-)Schreiben vom 18.4.2016 beim Grundbuchamt einen "Grundbuchauszug für Gebäude und dem dazugehörigem Grundstück" des Objekts "medicare-F." mit Ortsangabe, Straßenbezeichnung und Kopie der dazugehörigen Grundstücksfläche. Sie begründete dies so:
Die Initiative setze sich bundesweit für den Schutz ungeborener Kinder ein und biete Hilfen für deren Mütter an. In dem genannten Objekt sei seit 11.4.2016 ein Mediziner tätig, der seine Einkünfte überwiegend aus Schwangerschaftsabbrüchen beziehe. Da vor Ort nicht sicher abklärbar sei, welche Wege/Bereiche öffentlich seien, welche zum fraglichen Objekt gehörten und welche anderen Eigentümern zugeordnet werden müssten, wolle man sich - was den Privatgrund angehe - vorab mit dem (den) jeweiligen Eigentümer(n) verständigen und abklären, wie auf dem jeweiligen Privatgrund Hilfe und Information für werdende Mütter aussehen und möglich sein könnte.
Die Urkundsbeamtin des Grundbuchamts war der Ansicht, dass sich aus dem Vortrag ein berechtigtes Interesse nicht ergebe. Mit dieser Begründung hat sie gemäß Schreiben vom 29.4.2016 Auskünfte aus dem Grundbuch verweigert. Mit Beschluss vom 13.5.2016 hat die Rechtspflegerin sodann den weiter verfolgten Antrag auf Grundbucheinsicht zurückgewiesen. Bürgerinitiativen komme kein Einsichtsrecht zu, da sie keine Kontrollfunktion der Exekutive ausübten.
Der hiergegen beim Oberlandesgericht eingelegten Beschwerde vom 19.5.2016 hat die Rechtspflegerin nicht abgeholfen.
II. Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt die Beteiligte ihr Einsichtsbegehren in das Bestandsverzeichnis (§ 6 GBV: aktuelle und bisherige laufende Nr. der Grundstücke, Gemarkung/Flurstück, Wirtschaftsart und Lage, Größe, Bestand und Zuschreibungen, Abschreibungen) und die erste Abteilung (§ 9 GBV: Eigentümer und Grundlage der Eintragung) des Grundbuchs eines näher bezeichneten Grundstücks weiter. Ein darüber hinausgehendes Interesses an der Kenntnisnahme auch von etwaigen eingetragenen Belastungen in der zweiten und dritten Abteilung hat sie erklärtermaßen nicht.
Soweit mit einem weiteren Schreiben vom 18.5.2016 beim Grundbuchamt beantragt wird, das AG möge die Einverständniserklärung des Eigentümers für die Weiterleitung seiner Adresse an die Antragstellerin einholen, ist dieses Begehren nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Streitigkeiten über die Befugnis zu derartigen Auskünften - mit und ohne Eigentümerbefragung - wie auch zu Auskünften aus und Einsicht in Verzeichnisse gemäß § 12a GBO (Flurstücks- und Eigentümerauskunft) wären im Übrigen im Justizverwaltungsweg zu entscheiden (vgl. Hügel/Kral GBO 3. Aufl. § 12a Rn. 17 und 21).
III. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg
1. Gegen die Versagung von Grundbucheinsicht durch den Rechtspfleger (§ 3 Nr. 1 Buchst. h RPflG) ist die Beschwerde statthaft (§ 11 Abs. 1 RPflG mit § 71 Abs. 1 GBO; § 12c Abs. 4 Satz 2 GBO) und auch im Übrigen gemäß § 73 GBO zulässig eingelegt. Wenngleich die Zurückweisung des Antrags allein die Beschwerdeberechtigung nicht begründet, eine formelle Beschwer also nicht ausreicht (Demharter GBO 30. Aufl. § 71 Rn. 59 m.w.N.), so genügt es im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nach vorherrschender Ansicht jedoch, dass der Adressat der Entscheidung geltend machen kann, durch diese in seiner Rechtsstellung unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt zu sein, sofern die angefochtene Entscheidung in der behaupteten Weise unrichtig wäre und er deshalb ein rechtliches Interesse an ihrer Beseitigung hat (BGHZ 80, 126/127; Budde in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 71 Rn. 62 m.w.N.). Die Beteiligte ist eine juristische Person des Privatrechts (§ 21 BGB); sie besitzt Rechtsfähigkeit, d.h. sie ist in Rechten und Rechtsstellungen grundsätzlich natürlichen Personen gleichgestellt, soweit diese nicht die menschliche Natur ihres Trägers voraussetzen (vgl. Palandt/Ellenberger BGB 75. Aufl. Einf v § 21 Rn. 8). In...