Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründungszwang für Nichtabhilfenentscheidung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Beschluss, mit welchem einer sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen wird, bedarf der Begründung. Erforderlich ist i.d.R. eine eingehende Auseinandersetzung mit neu vorgebrachten Gründen der Beschwerde.
2. Schwierige Rechtsfragen sind grundsätzlich nicht im Prozesskostenhilfeverfahren zu entscheiden.
Normenkette
ZPO §§ 114, 572
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 05.08.2003; Aktenzeichen 23 O 6439/03) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des LG München I, 23. Zivilkammer, vom 5.8.2003 aufgehoben.
Dem Kläger wird Prozesskostenhiife für die 1. Instanz bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt M. beigeordnet.
Gründe
I. Der Senat entscheidet über die Beschwerde, obwohl eine ordnungsgemäße Abhilfeentscheidung des LG nicht vorliegt. Immer öfter waren dem Senat Beschwerden mit der formelhaften und einzigen Begründung (Formularbegründung) vorgelegt, „Auf die Gründe des Beschlusses vom … wird Bezug genommen”. Der auf dem Formular vorgesehene freie Raum für die eigentliche Begründung wird nicht genutzt. Dies widerspricht der gesetzlichen Regelung in § 572 ZPO. Dieser Raum im Formular dient – gesetzeskonform – dazu, die eigentliche Begründung aufzunehmen.
§ 572 ZPO stellt den Begründungszwang nicht ausdrücklich klar. Es ist dies aber selbstverständlich; die Pflicht zur Begründung ergibt sich aus der Rechtsnatur der Entscheidung und aus dem Zweck des § 572 ZPO. Auch die Entscheidung über die Frage der Abhilfe ist eine gerichtliche Entscheidung. Solche Entscheidungen bedürfen der Begründung, jedenfalls dann, wenn ein Rechtsmittel statthaft ist (vgl. Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 329 Rz. 10). Nur so kann etwa geprüft werden, ob das rechtliche Gehör gewahrt ist. Außerdem ist es Zweck des § 572 ZPO, begründete Beschwerden auf einem möglichst einfachen Weg zu erledigen. Die Vorlage einer Beschwerde durch das Erstgericht setzt demgemäß eine Entscheidung voraus, in der auf das Beschwerdevorbringen gezielt und inhaltlich erschöpfend eingegangen wird. Sie muss sich konkret mit der Gegenargumentation der Beschwerdebegründung befassen und nachvollziehbar darstellen, weshalb nicht abzuhelfen ist. In Kosten auslösenden Verfahren werden bei einem Vorgehen auf solche Weise auch Kosten erspart werden. Unentbehrlich ist die Begründung, wenn die Beschwerde neue Tatsachen vorträgt (vgl. Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 572 Rz. 9), aber auch dann, wenn sie einen Aspekt konkret aufzeigt, mit welchem sich die Erstentscheidung noch nicht oder nur am Rande befasst hat. Einer Begründung bedarf es etwa dann nicht, wenn die Beschwerde keine Begründung enthält oder bei nur formelhafter Beschwerdebegründung.
II. Die Beschwerde ist der Sache nach begründet. Nach der st. Rspr. des BVerfG sind schwierige Fragen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren zu entscheiden (vgl. etwa BVerfG v. 7.4.2000 – 1 BvR 81/00, NJW 2000, 1936; NJW 2000, 2089; v. 10.12.2001 – 1 BvR 1803/97, FamRZ 2002, 665 = NJW 2002, 793). Um solche Fragen handelt es sich hier. Es geht um die Auslegung des Gesellschaftsvertrages, vorgelegt als Anlage K 1. Diese richtet sich grundsätzlich nach §§ 133, 157 BGB (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 62. Aufl., § 705 Rz. 14). Damit sind über den Wortlaut des Gesellschaftsvertrages hinaus etwa auch erläuternde Vorgespräche und Begleiturkunden zu berücksichtigen. Notfalls ist eine ergänzende Vertragsauslegung durchzuführen.
Einzelne Klauseln und Umstände sprechen für, aber auch gegen die Ansicht des Klägers; eine eingehende Auseinandersetzung mit dem streitgegenständlichen Vertrag ist deshalb erforderlich. § 2 (3) des Vertrages lässt offen, an wen die Kaution zu bezahlen war. Nach § 10 (4) S. 3 konnte der Anspruch auf Rückzahlung der Kaution mit dem Anspruch aus käuflicher Überlassung von Mandanten verrechnet werden; wem dieser Anspruch aus der käuflichen Überlassung zustand, ist offen – wohl eher dem Gesellschafter. Für die Auffassung des Klägers spricht auch der Zweck der Kaution, nämlich die Sicherung der dem Kläger zur Bearbeitung für den Beklagten zu überlassenden Mandate des Beklagten. Für diese Ansicht spricht wohl auch § 11 (3) des Gesellschaftsvertrages, wonach die Kaution von dem zu verzinsen ist, zu dessen Gunsten sie gewährt wurde. Nachdem offen war, an wen die Kaution zu leisten war, kann es eine erhebliche Rolle spielen, wie die Frage dann tatsächlich gehandhabt wurde. Dazu wäre wohl vom Kläger zu beweisen, an wen er bezahlt hat (Unterlagen hierzu sind vorgelegt), und ferner, ob das Konto, wie wohl der Beklagte behauptet, faktisch als Gesellschaftskonto geführt wurde. Die Ansicht des Beklagten hat wohl – worauf er hinweist – das LG München I in dem Rechtsstreit 24 O 11323/94 (Anlage B 1) vertreten.
Das LG hat auch zu klären, auf welcher Anspruchsgrundlage der klägerische Anspruch beruht. Aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses könnte geschlossen werden, dass es von einem Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeht....