Leitsatz (amtlich)
1. Der erzwungene Aufenthalt eines nicht einreiseberechtigten Ausländers im Transitbereich eines Flughafens außerhalb des sog. Flughafenverfahrens stellt eine Freiheitsentziehung dar, wenn die Zurückweisung nicht umgehend durchgeführt wird.
2. Für das Vorliegen einer Freiheitsentziehung kommt es nicht darauf an, ob der Ausländer berechtigt oder unberechtigt auf deutsches Staatsgebiet gelangt ist. Unerheblich ist auch, ob der Ausländer es zu vertreten hat, dass seine Zurückweisung nicht unverzüglich vollzogen werden kann.
Normenkette
GG Art. 104 Abs. 1-2, Art. 2 Abs. 2 S. 2; FreihEntzG § 2 Abs. 1; AufenthG § 15 Abs. 4, § 62; AsylVfG § 18a
Verfahrensgang
LG Landshut (Beschluss vom 26.09.2005; Aktenzeichen 62 T 2586/05) |
AG Erding (Beschluss vom 23.08.2005; Aktenzeichen XIV B 110/05) |
Tenor
III. Der Beschluss des AG Erding vom 23.8.2005 und der Beschluss des LG Landshut vom 26.9.2005 werden aufgehoben.
IV. Es wird festgestellt, dass das Festhalten des Betroffenen im Transitbereich des Flughafens München II vom 19.8.2005 bis 6.12.2005 eine freiheitsentziehende Maßnahme darstellte und rechtswidrig war.
V. Dem Betroffenen wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für das Rechtsbeschwerdeverfahren bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt M.S., Sch.-straße 12, München, beigeordnet.
VI. Im Übrigen wird der Prozesskostenhilfeantrag des Betroffenen verworfen.
V. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Auslagen des Betroffenen trägt die Bundesrepublik Deutschland.
Gründe
I. Die Ausländerbehörde betreibt die Zurückschiebung des Betroffenen, eines Ausländers mutmaßlich irakischer Herkunft, der am 6.4.2005 von Dubai kommend bei dem Versuch, über den Flughafen München ohne Pass nach Deutschland einzureisen, von Beamten des Bundesgrenzschutzamtes im Transitbereich festgenommen wurde.
Mit Beschl. v. 7.4.2005 hat das AG mit sofortiger Wirksamkeit Haft zur Sicherung der Zurückweisung längstens für die Dauer von drei Monaten angeordnet. Der Betroffene wurde in die Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim verbracht. Am 7.6.2005 nahm das Bundesgrenzschutzamt (seit 1.7.2005: Bundespolizeiamt) den Haftantrag zurück, nachdem der Betroffene am 6.6.2005 Asylantrag gestellt hatte, und verbrachte ihn zur Durchführung des Asylverfahrens nach § 18a AsylVfG in eine Unterkunft im Transitbereich des Flughafens München. Mit Bescheid vom 7.6.2005 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag des Betroffenen auf Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet ab. Seinen Antrag auf einstweilige Gestattung der Einreise lehnte das VG mit Beschl. v. 15.6.2005 ab. Am 20.6.2005 ordnete das AG auf Antrag des Bundesgrenzschutzamtes erneut mit sofortiger Wirksamkeit Zurückweisungshaft für die Dauer von drei Monaten an. Die hiergegen gerichteten Rechtsmittel des Betroffenen hatten keinen Erfolg. Die Zurückweisungshaft wurde ab 24.6.2005 in der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim vollzogen.
Am 18.8.2005 teilte das Bundespolizeiamt nach Vorführung des Betroffenen bei der irakischen Auslandsvertretung am 20.7 2005 mit, dass die für eine Zurückschiebung notwendigen Passersatzpapiere von den irakischen Behörden nicht ausgestellt würden, da der Betroffene keinerlei Papiere vorlege, die seine irakische Staatsangehörigkeit belegen könnten. Am 19.8.2005 nahm das Bundespolizeiamt den Haftantrag zurück und verbrachte den Betroffenen nach der Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt wieder in den Transitbereich des Flughafens München. Dort befand sich der Betroffene bis zum 6.12.2005. Die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland war ihm untersagt, da er die dafür notwendigen Papiere nicht besaß. Ein Pass oder ein Passersatzpapier für den Betroffenen lag nicht vor und konnte von der Behörde zunächst auch nicht beschafft werden. Ob der Betroffene selbst durch weitere Mitwirkung die Voraussetzungen für die kurzfristige Ausstellung von Heimreisepapieren hätte schaffen können, ist zwischen den Beteiligten streitig.
Am 22.8.2005 hat der Betroffene beim AG beantragt, ihn aus dem Transitbereich zu entlassen, da sein Festhalten dort eine Freiheitsentziehung darstelle, die ohne gerichtlichen Beschluss unzulässig sei. Das AG hat den Antrag mit Beschl. v. 23.8.2005 abgewiesen. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das LG zugleich mit dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschl. v. 26.9.2005 zurückgewiesen. Es sah dabei die Unterbringung des Betroffenen gegen seinen Willen auf dem Gelände des Flughafens München nicht als Freiheitsentziehung i.S.d. § 2 FreihEntzG an. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen, mit der er zunächst die Feststellung begehrt hat, dass sein Festhalten im Transitbereich des Flughafens eine rechtswidrige Freiheitsentziehung darstelle und er sofort zu entlassen sei. Zudem hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das gesamte Verfahren beantragt.
In der Folgezeit gelang es der Ausländerbehörde, Heimreisepapiere für den Be...