Entscheidungsstichwort (Thema)
Echoes
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Beschwerdefrist i.S.d. § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG i.V.m. § 101 Abs. 9 Satz 4 UrhG für den Anschlussinhaber, der durch die durch richterlichen Beschluss ausgesprochene Gestattung der Mitteilung, welcher Anschlussinhaber eine bestimmte IP-Adresse nutzte, materiell betroffen ist.
2. Einer Rechtsverletzung i.S.d. § 101 Abs. 2 UrhG, die im Angebot einer Datei mit urheberrechtlich geschütztem Inhalt auf einer Internet-Tauschbörse liegt, kommt grundsätzlich gewerbliches Ausmaß zu, ohne dass es weiterer erschwerender Umstände bedürfte, auch wenn das Angebot nur für einen Zeitraum von wenigen Minuten dokumentiert ist.
Normenkette
GG Art. 19 Abs. 4; UrhG § 101 Abs. 9; FamFG § 63 Abs. 3, § 64 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 22.08.2011; Aktenzeichen 21 O 17989/11) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des LG München I vom 22.8.2011 wird zurückgewiesen.
II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
IV. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.200 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1. zählt zu den führenden deutschen Tonträgerherstellern. Sie hält die ausschließlichen Nutzungsrechte an dem im Jahr 2007 erschienenen, nicht mehr in den TOP 100 der branchenrelevanten Verkaufscharts geführten Musikalbum "Echoes ..." der "...", das am 21.8.2011 auf der Internet-Tauschbörse BitTorrent unter einer von der Beteiligten zu 2. als Internetzugangsprovider vergebenen dynamischen IP-Adresse der Öffentlichkeit für 2 Minuten und 35 Sekunden zum Herunterladen angeboten wurde. Auf Antrag der Beteiligten zu 1. hat das LG mit dem angegriffenen Beschluss - neben der einstweiligen Anordnung, die entsprechenden Daten bis zum Verfahrensabschluss nicht zu löschen - der Beteiligten zu 2. gem. § 101 Abs. 9 UrhG gestattet, Auskunft darüber zu erteilen, wem diese IP-Adresse im relevanten Zeitpunkt zugeordnet war. Der Beschwerdeführer wurde auf der Grundlage der Auskunft, dass dies er gewesen sei, von der Beteiligten zu 1. mit Schreiben vom 30.8.2011 abgemahnt.
Mit seiner am 15.9.2011 beim OLG München eingegangenen und von dort durch Verfügung vom 20.9.2011 an das LG München I als Ausgangsgericht (§ 101 Abs. 9 Satz 4 UrhG, § 64 Abs. 1 FamFG) weitergeleiteten Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen den landgerichtlichen Beschluss. Die Beteiligte zu 1. erachtet die Beschwerde als unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.
Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Im Übrigen wird auf das Vorbringen der Beteiligten Bezug genommen.
II. Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Ihre Statthaftigkeit ergibt sich aus § 101 Abs. 9 Satz 6 UrhG.
Der Beschwerdeführer ist nach § 59 Abs. 1 FamFG, auf das § 101 Abs. 9 Satz 4 UrhG zur Harmonisierung des Rechtsmittelrechts Bezug nimmt (vgl. BT-Drucks. 16/9733, S. 304), beschwerdebefugt, weil er materiell-rechtlich beschwert ist. Der Richtervorbehalt des § 101 Abs. 9 UrhG dient vor allem dem Schutz der Anschlussinhaber (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 5.10.2010 - 6 W 82/10 - Gestattungsanordnung II, juris, dort Tz. 5). Die durch einen entsprechenden richterlichen Beschluss ausgesprochene Gestattung der Mitteilung, welcher Anschlussinhaber eine bestimmte IP-Adresse nutzte, beeinträchtigt deren Rechte.
Der angegriffene Beschluss hat sich zwar dadurch in der Hauptsache erledigt, dass die darin gestattete Auskunft erteilt wurde. Der Beschwerdeführer hat jedoch ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 62 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 FamFG, weil in dem Beschluss ein hinreichend schwerwiegender Grundrechtseingriff liegt (vgl. OLG Köln, a.a.O., - Gestattungsanordnung II, Tz. 9 ff.). Die Erteilung von Auskünften über die Anschlussinhaber bestimmter IP-Adressen unter mittelbarer Verwendung von Verkehrsdaten fällt in den Schutzbereich des durch Art. 10 Abs. 1 GG gewährleisteten Telekommunikationsgeheimnisses und hat erhebliches Gewicht (vgl. BVerfG NJW 2010, 833 - Vorratsdatenspeicherung, Tz. 254, 258 f.).
Die Beschwerde ist fristgerecht eingelegt worden. Grundsätzlich ist auf das Verfahren der Beschwerde gegen einen Beschluss gem. § 101 Abs. 9 Satz 4 UrhG das FamFG anzuwenden; lediglich die Beschwerdefrist beträgt im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit der Verfahren nur zwei Wochen (§ 101 Abs. 9 Satz 7 UrhG; vgl. BT-Drucks. 16/9733, S. 304). Gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG beginnt die Frist jeweils mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten. Da im vorliegenden Fall eine Bekanntgabe durch das Gericht nicht erfolgt ist, sondern der Beschwerdeführer lediglich durch die von der Beteiligten zu 1. ausgesprochene Abmahnung von dem Beschluss erfahren hat, hat die Beschwerdefrist für ihn noch nicht zu laufen begonnen (vgl. OLG München ZUM 2011, 760 [761] - Die Friseuse). Es ist deshalb vorliegend unschädlich, dass der Beschwerdeführer die Beschwerde zunächst entgegen § 101 Abs. 9 Satz 4 UrhG, § 64 Abs. 1 FamFG nicht be...