Leitsatz (amtlich)
Die Bestellung eines Pflichtverteidigers dient nicht dem Kosteninteresse des Verurteilten oder seines Verteidigers, sondern allein dem Zweck, im Sinne des Rechtsstaatsgebots dafür zu sorgen, dass ein Angeklagter in den gesetzlich vorgesehenen Fällen seine Rechte im Strafverfahren angemessen wahrnehmen kann und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet ist. Dieser Zweck kann nach Rechtskraft des Urteils nicht mehr erreicht werden, eine nachträgliche ("rückwirkende") Bestellung eines Pflichtverteidigers für das bereits rechtskräftig abgeschlossene Strafverfahren ist daher unzulässig.
Verfahrensgang
LG Traunstein (Entscheidung vom 23.11.2011) |
Tenor
I.
Die Beschwerde des Rechtsanwalts Dr. M. H. vom 13.12.2011 gegen den Beschluss des Landgerichts Traunstein vom 23.11.2011 wird als unzulässig verworfen.
II.
Rechtsanwalt Dr. M. H. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gründe:
Gründe
I.
Im gegenständlichen Strafverfahren hatte der Senat im Haftprüfungsverfahren gem. §§ 121 Abs. 1, 122 Abs. 1 StPO mit Beschluss vom 12.10. 2010 hinsichtlich der beiden angeklagten Brüder P. P. und O. A. P. Haftfortdauer angeordnet. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die vorgenannte Senatsentscheidung Bezug genommen.
Durch Urteil des Landgerichts Traunstein vom 03.02.2011 (rechtskräftig seit 26.07.2011) wurden beide Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen. Der Angeklagte P. P. wurde zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren 6 Monaten, der Angeklagte O. A. P., der in dem Strafverfahren von Rechtsanwalt Dr. M. H. verteidigt worden war, zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt. Die von beiden Angeklagten eingelegte Revision hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 26.07.2011 als unbegründet verworfen. Auch die Revision des Nebenklägers hat der Bundesgerichtshof mit gesondertem Beschluss vom selben Tage als unbegründet verworfen.
Mit Schriftsatz vom 27.07.2011, eingegangen beim Bundesgerichtshof am selben Tage, hat Rechtsanwalt Dr. M. H. beantragt, dem Angeklagten O. A. P. "für das Revisionsverfahren einen Pflichtverteidiger zu bestellen und Rechtsanwalt Dr. H. als Pflichtverteidiger beizuordnen." Für den Fall der Beiordnung werde das Wahlmandat niedergelegt.
Im Schriftsatz vom 28.09.2011, eingegangen bei der Staatsanwaltschaft Traunstein, Zweigstelle Rosenheim, am selben Tage, vertrat Rechtsanwalt Dr. H. die Ansicht, dass der Bundesgerichtshof als Revisionsgericht zur Entscheidung über den Antrag vom 27.07.2011 zuständig sei. Vorsorglich wurde im vorgenannten Schriftsatz eine rückwirkende Pflichtverteidigerbeiordnung beantragt. Mit Schreiben vom 10. 10.2011 legte die Staatsanwaltschaft Traunstein, Zweigstelle Rosenheim, die Akten dem Landgericht Traunstein vor und beantragte, eine Pflichtverteidigerbestellung von Rechtsanwalt Dr. M. H. abzulehnen. Mit Schriftsätzen vom 22.11.2011 und vom 23.11.2011 beharrte Rechtsanwalt Dr. H. auf seinem Antrag vom 27.07.2011.
Durch den angefochtenen Beschluss vom 23.11.2011 hat das Landgericht Traunstein den Antrag auf Bestellung von Rechtsanwalt Dr. H. als Pflichtverteidiger für das Revisionsverfahren abgelehnt mit der Begründung, dass die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht zulässig sei.
Gegen diese Entscheidung hat Rechtsanwalt Dr. H. mit Schriftsatz vom 13.12.2011, eingegangen beim Landgericht Traunstein am selben Tage, Beschwerde eingelegt und sein Rechtsmittel im Wesentlichen damit begründet, dass sein Antrag vom 27.07.2011 zwar erst nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.07.2011, aber noch vor der erst am 08.08.2011 [an ihn] erfolgten Zustellung der Entscheidung gestellt worden sei.
Durch Beschluss vom 23.12.2011 hat das Landgericht Traunstein der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde von Rechtsanwalt Dr. M. H. erweist sich als unzulässig, da das Rechtsmittel nicht im Namen bzw. im Auftrag des Verurteilten O. A. P. eingelegt wurde. Dem Wahlverteidiger kommt bei der Ablehnung seiner Beiordnung als Pflichtverteidiger kein eigenes Beschwerderecht zu (vgl. Karlsruher Kommentar - Laufhütte, StPO, 6. Aufl., § 141 Rn. 13; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 141 Rn. 10), er ist daher nicht beschwerdeberechtigt.
Bereits der Beiordnungsantrag vom 27.07.2011 war unzulässig, weil dem Wahlverteidiger insoweit auch kein eigenes Antragsrecht zukommt. Der Schriftsatz vom 27.07.2011 enthält - ebenso wie der Beschwerdeschriftsatz vom 13.12.2011 - keinerlei Ausführungen dazu, dass der Antrag namens bzw. im Auftrag des Mandanten O. A. P. gestellt wurde.
Im Übrigen wäre die Beschwerde, wenn sie - wie nicht - zulässig erhoben worden wäre, unbegründet. Wie das Landgericht Traunstein bereits zutreffend ausgeführt hat, kommt eine rückwirkende Pflichtverteidigerbestellung nicht in Betracht.
Das Strafverfahren war bereits vor Eingang des beschwerdegegenständlichen Antrags vom 27.07.2011 durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.07.2011 rechtskräftig abgeschlossen. Für die Führung der Verteidigung bzw. ein Tätigwerden ...