Leitsatz (amtlich)
Die Nichtigkeit des Entlastungsbeschlusses für den Aufsichtsrat, die darauf beruht, dass ein den gesetzlichen Anforderungen des § 171 Abs. 2 S. 1, 2 AktG über die Prüfung des Jahresabschlusses nicht genügender Bericht vorgelegt wurde, erstreckt sich nicht auf den Beschluss über die Entlastung des Vorstandes.
Normenkette
AktG § 171 Abs. 2 S. 1, § 171 S. 2, § 243 Abs. 1, § 245 Nr. 1, § 246 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 10.03.2005; Aktenzeichen 5 HKO 18110/04) |
Tenor
I. Die Berufung der Kläger gegen das Endurteil des LG München I v. 10.3.2005 - 5 HKO 18110/04 wird zurückgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 10.500 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Weder weist der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung auf noch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
Auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
Zu den Berufungsgründen ist ergänzend folgendes anzumerken:
Die Anfechtungsklage ist auch soweit sie sich auf den Beschluss über die Entlastung des Vorstandes erstreckt zulässig, § 243 Abs. 1, 245 Nr. 1, 246 Abs. 1 AktG, allerdings nicht begründet.
Zu Recht geht das Gericht in 1. Instanz davon aus, dass der Aufsichtsrat seine Berichtspflicht dadurch verletzt hat, dass der Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses hinsichtlich seiner inhaltlichen Ausgestaltung nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 171 Abs. 2 S. 1, 2 AktG entspricht, weil er nicht darlegt, in welcher Art und in welchem Umfang er die Geschäftsführung der Gesellschaft während des Geschäftsjahres geprüft hat. Dies führt dazu, dass die Klage betreffend die Entlastung des Aufsichtsrats begründet war.
Dieser Gesetzesverstoß des Aufsichtsrats rechtfertigt es jedoch nicht, den Beschluss der Hauptversammlung über die Entlastung des Vorstandes ebenfalls für nichtig zu erklären. Unstreitig liegt ein Gesetzes- oder Satzungsverstoß durch den Vorstand nicht vor. Der Vorstand hat den Jahresabschluss für das Jahr 2003 dem Aufsichtsrat vorgelegt (s. Anlage B 4). Dieser hat ihn am 12.5.2004 beraten und gebilligt. Der Jahresabschluss wurde im Vorfeld der Hauptversammlung zur Aushändigung an die Aktionäre neu ausgefertigt und von allen Mitgliedern des Aufsichtsrats unterzeichnet.
Die Kläger tragen nunmehr vor, dass, da sich dem Bericht des Aufsichtsrates nicht entnehmen ließe, ob eine Prüfung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat überhaupt und ggf. in welchem Umfang und mit welchem Ergebnis stattgefunden habe, eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung der Aktionäre über die Entlastung des Vorstands fehle. Dies führe nach Ansicht der Kläger dazu, dass auch die Beschlussfassung über die Entlastung des Vorstands nichtig sei, unabhängig davon, ob der Vorstand selbst gesetzes- oder satzungswidrig gehandelt habe.
Dem ist nicht zu folgen. Es handelt sich bei dem Aufsichtsrat und dem Vorstand nach den Vorstellungen des Aktienrechts um zwei von einander zu trennende Organe einer Aktiengesellschaft. Das Fehlverhalten eines Organs kann daher grundsätzlich nicht dem anderen zugerechnet werden. Die Entlastung ist in erster Linie die Erklärung der Hauptversammlung, sie billige die Verwaltung als im großen und ganzen gesetzes- und satzungsgemäß, daneben ist sie auch Vertrauensbeweis (Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 120 Rz. 12). Über die Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrates entscheidet die Hauptversammlung - wie im vorliegenden Fall auch geschehen - getrennt; nicht zulässig wäre es, Entlastung sämtlicher Verwaltungsmitglieder (Aufsichtsrat und Vorstand) in einem Abstimmungsvorgang zusammenzufassen (vgl. Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 120 Rz. 8). Soweit ein Gesetzes- oder Satzungsverstoß eines Organs dazu führt, dass Entlastung nicht erteilt werden kann, bzw. dessen Entlastung nichtig ist, betrifft dies grundsätzlich nicht das andere Organ.
Die Entscheidung der Hauptversammlung über die Entlastung des Vorstandes steht nicht in so engem Zusammenhang mit der Entscheidung über die Entlastung des Aufsichtsrates, dass bei Nichtigkeit dieses Beschlusses, weil der Aufsichtsrat seiner Berichtspflicht auch hinsichtlich des Jahresabschlusses nicht in erforderlichem Umfang nachgekommen ist, die Entlastung des Vorstand als nichtig anzusehen wäre. Ein derartiger "Durchgriff" ist nicht gerechtfertigt. Der Jahresabschluss lag der Hauptversammlung vor. Dem Bericht des Aufsichtsrates über dessen Überprüfung kommt nicht die Bedeutung, dass bei Verletzung der Berichtspflicht einer Entscheidung der Hauptversammlung über die Entlastung des Vorstandes, die sich ja nicht nur auf den Jahresabschluss erstreckt, die erforderliche Grundlage entzogen wäre.
Der Senat regt daher an, die Berufung zur Meidung weiterer Kosten zurückzunehmen.
Fundstellen
WM 2006, 1486 |
WuB 2006, 847 |
AG 2006, 59... |