Leitsatz (amtlich)
Es ist zweifelhaft, ob bei erhobener Widerklage, die zur Zuständigkeit der LG gehört, der Rechtsstreit insgesamt verwiesen werden kann, wenn für die Klage eine ausschließliche Zuständigkeit des angerufenen AG besteht. Eine dennoch ausgesprochene Verweisung ist aber in der Regel nicht willkürlich (Anschluss an OLG Karlsruhe vom 9.5.2011, 9 AR 13/11, bei juris).
Normenkette
GVG § 23 Nrn. 1, 2a, § 71 Abs. 1; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, §§ 281, 506
Verfahrensgang
LG Traunstein (Beschluss vom 09.10.2014; Aktenzeichen 2 O 1612/14) |
AG Traunstein (Aktenzeichen 311 C 1432/13 (2)) |
Tenor
I. Zuständig ist das LG (Traunstein).
II. Der Beschluss des LG Traunstein vom 9.10.2014 wird aufgehoben.
Gründe
I. Mit ihrer Klage vom 5.12.2013 zum AG Traunstein (Az. 311 C 1432/13) begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner, ein von ihnen gemietetes und bewohntes Anwesen in Ruhpolding zu räumen und herauszugeben. Nach dem Klägervortrag ist zunächst beabsichtigt gewesen, das Anwesen an die Beklagten zu übereignen. Bis dahin hätten die Beklagten im Anwesen aufgrund zweier Mietverträge vom 21.9. und 21.10.2011 wohnen können. Im Herbst 2013 habe sich die Klägerin aber entschlossen, nicht zu verkaufen. Widerklagend begehren die Beklagten die Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von 75.000 EUR. Sie stützen ihren Anspruch auf Investitionen in das Anwesen in der enttäuschten Erwartung, es kaufen zu können. Sie haben deshalb zugleich mit Schriftsatz vom 26.3.2014 Verweisung des Rechtsstreits an das LG (Traunstein) beantragt. Letzterem hat die Klägerin ausdrücklich zugestimmt.
Mit Beschluss vom 29.4.2014 hat sich das AG für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit unter Hinweis auf § 281 ZPO, §§ 23, 71 GVG an das LG verwiesen. Das LG (Az. 2 O 1612/14) hat Bedenken gegen seine Zuständigkeit geäußert, weil es sich um Vermietung von Wohnraum handle, der Streitwert unerheblich sei und die Widerklage an der amtsgerichtlichen Zuständigkeit nichts ändere. Im (Güte-) Termin vom 3.7.2014 wurde vorsorglich in das streitige Verfahren übergeleitet; die Parteien haben Sachanträge gestellt, der Kläger hat hilfsweise die Zurückverweisung an das AG beantragt. Mit Beschluss vom 9.10.2014 hat das LG schließlich den Rechtsstreit an das AG zurückverwiesen. Es vertritt die Auffassung, eine Bindungswirkung bestehe nicht.
Das AG hat am 15.10.2014 eine (Rück-) Übernahme abgelehnt und die Akten zur Bestimmungsentscheidung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dem OLG vorgelegt. Es meint, das LG sei an den Verweisungsbeschluss vom 29.4.2014 gebunden. Für mietrechtliche Streitigkeiten bestehe zwar eine ausschließliche Zuständigkeit des AG, jedoch sei der Gegenstand der Widerklage keine mietrechtliche Streitigkeit. Der verlangte Aufwendungsersatz stehe mit dem Mietvertrag in keinerlei Zusammenhang und es sei auch nicht sachlich geboten, die Sache als schwerpunktmäßig mietrechtliche Angelegenheit zu behandeln. Jedenfalls sei die Verweisung nicht willkürlich.
II. Auf die zulässige Vorlage ist die sachliche Zuständigkeit des LG auszusprechen. Dieses ist an den erstergangenen Verweisungsbeschluss des AG gebunden. Die spätere Zurückverweisung entfaltet hingegen keine Bindungswirkung (Zöller/Greger ZPO 30. Aufl. § 281 Rn. 19). Dieser Beschluss wird aus Klarstellungsgründen aufgehoben.
1. Mit den Beschlüssen vom 29.4.2014 und 9.10.2014 liegt eine regelmäßig bindende (vgl. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO) Kompetenzleugnung zweier als zuständig in Betracht kommenden Gerichte vor. Dies eröffnet den Anwendungsbereich des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (BGH NJW-RR 2013, 764; Zöller/Vollkommer § 36 Rn. 24 f. m.w.N.).
2. Gemäß § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind Verweisungsbeschlüsse im Interesse der Prozessökonomie und zur Vermeidung von verfahrensverzögernden Zuständigkeitsstreitigkeiten unanfechtbar. Demnach entziehen sich auch ein sachlich zu Unrecht ergangener Verweisungsbeschluss und die diesem Beschluss zugrunde liegende Entscheidung über die Zuständigkeit grundsätzlich jeder Nachprüfung (st. Rspr.; BGHZ 102, 338/340; BGH NJW 2002, 3634/3635; Zöller/Greger § 281 Rn. 16).
a) Die Bindungswirkung entfällt indessen, wenn der ergangene Beschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann (BGH NJW 2002, 3634/3635; Zöller/Greger § 281 Rn. 17 m.w.N.), also wenn er jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt, offensichtlich unhaltbar ist und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss. Hierfür reicht jedoch nicht aus, dass der Verweisungsbeschluss inhaltlich unrichtig und fehlerhaft ist oder von der herrschenden Rechtsansicht abweicht (siehe etwa BGH NJW-RR 2011, 1364; NJW 2003, 3201; Beispiele bei Zöller/Greger § 281 Rn. 17).
b) Bei Anlegung dieses Maßstabs ist das LG an die ausgesprochene Verweisung durch das AG gebunden (§ 281 Abs. 2 Satz 4, § 506 Abs. 2 ZPO).
(1) Dass die Auffassung des AG, den Gegenstand der Widerklage bilde kein Anspruch aus einem Mietverhältnis (vgl. § 23 Nr. 2a GVG), weshalb sich die landgerichtliche - streitwertabhängig...