Leitsatz (amtlich)
Die zwangsweise Unterbringung eines Betreuten in einer Justizvollzugsanstalt, Entziehungsanstalt oder psychiatrischen Krankenhaus begründet dann einen gewöhnlichen Aufenthalt nach § 65 Abs. 1, § 65a Satz 2 FGG, wenn er keinen anderen Daseinsmittelpunkt als den Ort der zwangsweisen Unterbringung hat (im Anschluss an BayObLG BtPrax 2003, 123).
Normenkette
FGG § 65 Abs. 1, § 65a S. 2
Verfahrensgang
AG Rosenheim (Aktenzeichen 2 XVII 395/06) |
AG Erding (Aktenzeichen 3 AR 308/06) |
Tenor
Die Abgabe des Verfahrens an das AG Erding ist gerechtfertigt.
Gründe
I. Für die Betroffene ist seit 26.1.2005 ihre Tochter als Betreuerin zunächst vorläufig und seit 19.7.2005 endgültig bestellt mit den Aufgabenkreisen: Gesundheitsfürsorge; Aufenthaltsbestimmung, einschließlich der Entscheidung über die Unterbringung; Vermögenssorge, einschließlich der Entscheidung über die Wohnungsauflösung; Wohnungsangelegenheiten; Vertretung vor Behörden und Versicherungen; Postangelegenheiten. Die Betroffene hielt sich zuletzt in einem Pflegeheim im Amtsgerichtsbezirk Rosenheim auf. Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen versuchten Mordes und schwerer Brandstiftung wurde sie seit 19.10.2006 im Bezirkskrankenhaus im Amtsgerichtsbezirk Erding strafrechtlich untergebracht. Der Pflegeheimplatz ist nach Angaben der Betreuerin gekündigt.
Das AG Rosenheim gab das Verfahren am 20.11.2006 an das AG Erding als Gericht des "gewöhnlichen Aufenthalts" ab. Dieses lehnte die Übernahme ab mit der Begründung, eine zwangsweise forensische Unterbringung begründe keinen gewöhnlichen Aufenthalt.
Das AG Rosenheim hat die Akten dem OLG München zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II. Das OLG München ist zur Entscheidung über die Abgabe des Verfahrens nach § 46 Abs. 2, § 65a Abs. 1 Satz 1 FGG zuständig (vgl. OLG München v. 25.1.2005, FamRZ 2005, 1577).
Die Abgabe an das AG Erding ist gerechtfertigt, weil ein wichtiger Grund gem. § 65a Abs. 1 Satz 2 FGG hierfür vorliegt. Ein wichtiger Grund für die Abgabe ist nach dieser Vorschrift in der Regel gegeben, wenn sich der gewöhnliche Aufenthalt des Betroffenen geändert hat und die Aufgaben des Betreuers im Wesentlichen am neuen Aufenthaltsort zu erfüllen sind; der Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts steht ein tatsächlicher Aufenthalt von mehr als einem Jahr an einem anderen Ort gleich.
Zwar begründet das zwangsweise Verbringen oder Verbleiben (z.B. Strafhaft, Untersuchungshaft, Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus) nicht ohne Weiteres einen gewöhnlichen Aufenthalt an dem jeweiligen Ort (OLG Köln v. 9.11.1995 - 10 UF 78/95, OLGReport Köln 1996, 61 = FamRZ 1996, 946). Jedoch kann dies nicht gelten, wenn die betroffene Person keinen anderen Daseinsmittelpunkt als den Ort der zwangsweisen Unterbringung hat (BayObLG BtPrax 2003, 123). Die Betroffene hat zwar zuletzt in einem Pflegeheim gelebt; der Heimplatz ist jedoch gekündigt. Ob die Betroffene nach Beendigung des Maßregelvollzugs wieder in das Heim im Amtsgerichtsbezirk Rosenheim aufgenommen werden kann, ist derzeit nicht absehbar. Die Betroffene hat deshalb weder in diesem Amtsgerichtsbezirk noch an einem sonstigen Ort einen Daseinsmittelpunkt außerhalb des Bezirkskrankenhauses, so dass der Schwerpunkt ihrer Lebensbeziehungen und damit ihr gewöhnlicher Aufenthalt derzeit im Bereich des AG Erding, nämlich am Ort ihrer Unterbringung, liegt.
Die Aufgaben des Betreuers sind im Wesentlichen auch am Unterbringungsort zu erfüllen.
Fundstellen
Haufe-Index 1645779 |
BtPrax 2007, 29 |
BtMan 2007, 40 |
OLGR-Süd 2007, 125 |