Leitsatz (amtlich)
Die mit einem Eindringen in den Körper verbundene, ausschließlich sexuell motivierte, "gynäkologische Untersuchung" stellt keine Körperverletzung dar, wenn hierdurch weder Verletzungen oder Schmerzen verursacht wurden noch ein krankhafter Zustand hervorgerufen oder gesteigert wurde. Die hierin liegende üble und unangemessene Behandlung allein genügt für den Körperverletzungserfolg nicht.
Nachgehend
Tatbestand
Das Amtsgericht - Schöffengericht - hat den Angeklagten wegen Beleidigung in zwei tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit sexueller Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten verurteilt. Ferner hat es dem Angeklagten die Ausübung des Arztberufes für die Dauer von zwei Jahren insoweit untersagt, als er bei der Behandlung von Patienten und der Einstellung von Mitarbeitern in die Arztpraxis mit Personen weiblichen Geschlechts keinen unmittelbaren Kontakt aufnehmen darf, insbesondere keine körperliche Untersuchung weiblicher Personen vornehmen darf.
Gegen dieses Urteil haben sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt.
Das Landgericht hat die Berufung des Angeklagten verworfen und auf die Berufung der Staatsanwaltschaft das Urteil des Amtsgerichts dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen vorsätzlicher Körperverletzung sowie vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Beleidigung und vorsätzlicher Körperverletzung zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wird. Es hat ferner dem Angeklagten die Ausübung des Arztberufes für die Dauer eines Jahres insoweit verboten, als er bei der Behandlung von Patienten und der Einstellung von Mitarbeitern in die Arztpraxis keine körperlichen Untersuchungen und Behandlungen weiblicher Personen vornehmen darf.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg, weil die Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung in allen drei Tatkomplexen auf der Grundlage der in den Urteilsgründen rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen zum Schuldspruch rechtlicher Nachprüfung nicht standhält (§§ 337, 349 Abs. 4 StPO).
Dementsprechend war der Schuldspruch abzuändern und der Angeklagte hinsichtlich des Geschehens vom 28.11.2003 (Tatkomplex III 1 der Urteilsgründe) freizusprechen.
Dies führt ferner zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs.
(...)
Die vom Berufungsgericht festgestellten Auswirkungen der "Untersuchungen" seitens des Angeklagten auf die Nebenklägerin (...) ergeben nicht, dass der Angeklagte eine Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB begangen hat.
Eine Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB begeht, wer einen anderen körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt. Da eine Gesundheitsbeschädigung - hierunter ist das Hervorrufen oder Steigern eines krankhaften Zustands zu verstehen - bei der Nebenklägerin nicht eingetreten ist, kommt vorliegend nur eine körperliche Misshandlung in Betracht. Aber auch eine solche wird durch die Feststellungen nicht belegt.
Die körperliche Misshandlung ist ein übles, unangemessenes Behandeln, das entweder das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt. Zwar hat der Angeklagte die Nebenklägerin in übler, unangemessener Weise behandelt, als er sie in der vom Berufungsgericht festgestellten Weise ohne medizinische Indizierung "untersuchte". Jedoch fehlt es an den weiteren Merkmalen einer körperlichen Misshandlung.
Eine Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit scheidet aus; denn die Nebenklägerin erlitt durch die "Untersuchungen" des Angeklagten keine Verletzungen.
Die Feststellungen der Kammer ergeben auch keine Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens (vgl. dazu auch BGHSt 48, 34, 36) der Nebenklägerin. Dies setzt zwar nicht unbedingt das Zufügen eines Schmerzes voraus (BGHSt 25, 277, 278). Es darf sich aber nicht nur um eine ganz unerhebliche Einwirkung handeln (BGH NJW 1991, 2918, 2919 m.w.N.).
Ob eine körperliche Einwirkung mehr als ganz unerheblich ist, kann nicht nach dem subjektiven Empfinden des Betroffenen, sondern nur aus Sicht eines objektiven Betrachters bestimmt werden. Dies schließt eine indizielle Berücksichtigung subjektiver Folgen nicht aus, sofern sie ausreichend objektivierbar sind. Auch kann sich die Erheblichkeit der Beeinträchtigung sowohl aus der Dauer wie auch aus der Intensität der Einwirkung gegeben (zum Ganzen BGH NJW 1991, 2918, 2919).
Die mehrfach ausführlich vernommene Nebenklägerin hat weder von körperlichen Auffälligkeiten noch von Schmerzen oder Verletzungen infolge der "Untersuchungen" berichtet. Sie hat vielmehr angegeben (BU S. 43, 109, 111/112), "dass der Angeklagte nicht grob gewesen sei, auch keine körperliche Gewalt angewandt habe und sie auch keine körperlichen Schmerzen habe erleiden müssen". Durch die medizinisch nicht indizierten Behandlungen der Nebenklägerin wurden ...