Leitsatz (amtlich)

Die den Gegenstand einer negativen Feststellungsklage bildende Frage, ob eine Partei ggü. der anderen verpflichtet ist, sich auf ein Schlichtungsverfahren zur Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln einzulassen, ist für das Bestellungsverfahren gem. § 36a Abs. 3 UrhG vorgreiflich, so dass eine Aussetzung dieses Verfahrens nach § 148 ZPO in Frage kommt.

 

Normenkette

ZPO § 148; UrhG §§ 36, 36a Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz) (Aktenzeichen 6 O 85/10)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 22.06.2011; Aktenzeichen I ZB 64/10)

 

Tenor

I. Das Verfahren wird bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits 6 O 85/10 LG Frankenthal (Pfalz) ausgesetzt.

II. Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller, eine Vereinigung von Urhebern, beantragt, den Vorsitzenden einer Schlichtungsstelle zur Aufstellung von Vergütungsregeln gem. § 36a UrhG hinsichtlich der "Auftragsproduktionen" zu bestellen und die Zahl der Beisitzer festzusetzen. Die Antragsgegnerin, eine öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt, hat beim LG Frankenthal (6 O 85/10) Klage erhoben mit dem Antrag, festzustellen, dass sie als Klägerin ggü. dem Antragsteller als Beklagten nicht verpflichtet sei, sich auf ein Schlichtungsverfahren zur Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln nach § 36a UrhG einzulassen. Sie ist der Meinung, sie sei nicht passivlegitimiert, da nicht Werknutzer i.S.v. § 36 Abs. 1 UrhG, der Antragsteller nicht aktivlegitimiert, da er nicht repräsentativ sei und zur Durchführung des Schlichtungsverfahrens nicht ordnungsgemäß ermächtigt (36 Abs. 2 UrhG). Sie regt an, das Verfahren zur Bestellung des Vorsitzenden und zur Festsetzung der Zahl der Beisitzer bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits vor dem LG Frankenthal auszusetzen. Der Antragsteller wendet sich gegen eine Aussetzung.

II. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung gem. § 148 ZPO liegen vor. Der vor dem LG Frankenthal geführte Rechtstreit ist für das vorliegende Verfahren vor-greiflich:

Die Entscheidung nach § 36a Abs. 3 UrhG, nämlich die Bestellung des Vorsitzenden der Schlichtungsstelle und die Festsetzung der Zahl der Beisitzer, ist vom Bestehen eines Rechtsverhältnisses abhängig, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet.

Ein Rechtsverhältnis i.S.d. § 148 ZPO stellt auch die Frage dar, ob zwischen zwei Vereinigungen von Urhebern bzw. Werknutzern (§ 36 Abs. 1 UrhG) die Voraussetzungen für die Bildung einer Schlichtungsstelle zur Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln vorliegen (§ 36a UrhG). Die Frage der Aktiv- bzw. Passivlegitimation stellt eine Vorfrage dar, die im Rahmen der Bestellungsentscheidung durch das OLG zu prüfen ist (vgl. zum Meinungsstand Dreier/Schulze UrhG 3. Aufl., § 36a Rz. 7; Schricker/Dietz UrhG 3. Aufl., § 36a UrhG Rz. 14; Wandtke/Grunert in Wandtke/Bullinger Urheberrecht 3. Aufl., § 36 UrhG Rz. 26). Nur so kann ein möglicherweise überflüssiges und mit erheblichen Kosten verbundenes Schlichtungsverfahren verhindert werden. Im Übrigen berührt bereits die Stellung als Beteiligter in einem Schlichtungsstellenverfahren die Rechte eines Betroffenen und kann wegen der Indizwirkung auch seine materielle Rechtsposition berührt sein (vgl. Ory ZUM 2006, 914). Selbst wenn man dem OLG insoweit nur eine eingeschränkte Prüfungsbefugnis zugesteht (KG ZUM 2005, 229), würde eine rechtskräftige Feststellung der Unzulässigkeit dem Bestellungsverfahren entgegenstehen. Ob die inzidente Bejahung dieser Vorfrage durch das OLG die Parteien bindet und einer negativen Feststellungsklage entgegensteht, erscheint zumindest zweifelhaft. Die Klage zum LG ist nicht offensichtlich unzulässig (vgl. KG, a.a.O., Wandtke/Grunert, a.a.O.). Wird in diesem Verfahren rechtskräftig festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 36 UrhG zwischen den Parteien nicht vorliegen, so kommt eine Bestellung nach § 36a UrhG schon mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht in Betracht. Wird die negative Feststellungsklage abgewiesen, steht grundsätzlich fest, dass das behauptete Verhältnis besteht (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO, 28. Aufl., § 322 Rz. 11 m.N.).

Der Zweck der Regelung des § 36a UrhG liegt in der Beschleunigung der Errichtung der Schlichtungsstelle, vor allem, wenn sich die Werknutzerseite Verhandlungen grundlos und hartnäckig verweigert. Dieser Zweck muss aber zurücktreten, wenn schon zweifelhaft und zwischen den Parteien strittig ist, ob es sich bei einer der Parteien tatsächlich um Werknutzer handelt. Wenn nämlich das angerufene OLG die Zulässigkeit des Schlichtungsverfahrens bejaht, ist zumindest zweifelhaft, ob eine Überprüfung im Wege der Rechtsbeschwerde möglich ist (vgl. etwa Schri-cker/Dietz § 36a Rz. 16), während für die negative Feststellungsklage der volle Instanzenweg zur Verfügung steht.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde (als Erstrechtsmittel) beruht auf § 252, § 574 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO. Ob § 1065 Satz 2 ZPO, der durch § 36a Abs. 3 Satz 3 UrhG für entsprechend anwendbar erklärt ist, einem Rechtsmittel e...

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