Leitsatz (amtlich)

1. Hat eine ausländische Partei eine Rechtsanwaltskanzlei generell mit der Wahrnehmung ihrer Rechte in Deutschland beauftragt, gehören deren Reisekosten zu einem Gerichtstermin außerhalb ihres Kanzleiortes in einer Markensache in der Regel zu den erstattungsfähigen Kosten nach § 91 Abs. 1 ZPO.

2. Testkaufkosten sind erstattungsfähig, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Testkauf vor außergerichtlichen Versuchen, zu einer Lösung zu kommen (Abmahnung etc.), erfolgt ist.

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 22.01.2004; Aktenzeichen 33 O 720/03)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des LG München I vom 22.1.2004 dahingehend abgeändert, dass die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 5.905,21 Euro festgesetzt werden.

II. Die Beklagte trägt von den Kosten des Beschwerdeverfahrens 4/5 und die Klägerin 1/5.

III. Der Beschwerdewert beträgt bis zur Teilrücknahme 854,21 Euro und danach 702,21 Euro.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangte von der Beklagten, die Verwendung ihres Kennzeichens … auf Handyschalen zu unterlassen.

Die Klägerin hat nach Anerkenntnisurteil Kostenfestsetzung beantragt und dabei u.a. Kosten für Ermittlungen, einen Testkauf, Reisekosten ihrer Prozessbevollmächtigten von Frankfurt am Main nach München sowie Patentanwaltsgebühren geltend gemacht.

Mit Beschluss vom 22.1.2004 hat das LG die an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 5.203 Euro festgesetzt. Nicht anerkannt hat das LG den Testkauf (447,15 Euro), die Ermittlungskosten (48,06 Euro) sowie die Reisekosten (207 Euro).

Hiergegen hat die Klägerin am 6.2.2004 Beschwerde eingelegt und dazu ausgeführt, auch die Mehrwertsteuer der italienischen Patentanwälte (152 Euro) müsste berücksichtigt werden. Der Testkauf habe zur Vorbereitung des vorliegenden Verfahrens gedient. Zwischen Kauf und Klageerhebung habe man sich um eine außergerichtliche Klärung bemüht. Der Testkauf sei schon deshalb notwendig gewesen, um mit den Photographien den Antrag konkretisieren zu können; sie hätten sogar in den Tenor der landgerichtlichen Entscheidung Eingang gefunden.

Auch die Reisekosten seien notwendig. Die Klägerin verfüge über keine eigene Rechtsabteilung in Deutschland. Die Kanzlei K vertrete M seit Jahren und sei berechtigt, Vergleiche zu schließen; sie agiere wie eine Rechtsabteilung. Durch die Einschaltung ihrer ständigen Vertreter in Frankfurt am Main habe sich die Klägerin eine wesentlich teurere Informationsreise nach München erspart.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien im Beschwerdeverfahren Bezug genommen.

Das LG hat der Beschwerde mit Beschluss vom 9.2.2004 nicht abgeholfen.

Die Klägerin hat den Kostenfestsetzungsantrag hinsichtlich der Umsatzsteuer der Patentanwälte zurückgenommen.

II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache, soweit sie nicht zurückgenommen wurde, Erfolg.

1. Zu den erstattungsfähigen Kosten (§ 91 Abs. 1 ZPO) gehören im Streitfall auch die Reisekosten der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zum Termin nach München. Die Klägerin hätte zwar als ausländische Partei gleich einen Anwalt in München beauftragen können (vgl. BGH, Beschl. v. 10.4.2003 – I ZB 36/02, BGHReport 2003, 768 = MDR 2003, 1019 = GRUR 2003, 725). Sie hat aber die Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten generell mit der Wahrnehmung ihrer Rechte in Deutschland beauftragt. Diese Kanzlei agiert daher wie eine Rechtsabteilung der Klägerin. Sie ist über die Markenrechtslage informiert und verfügt über die immer wieder benötigten Registerunterlagen. Jedenfalls wäre bei Beauftragung eines anderen Rechtsanwalts dessen weitaus kostenaufwändigere Informationsreise nach Italien notwendig und damit zu erstatten gewesen. Dass es sich bei der Klägerin um ein weltweit agierendes Unternehmen handelt, lässt nicht den zwingenden Schluss zu, sie müsste über ihre Rechtsabteilung in der Lage sein, einen ausländischen Prozessbevollmächtigen schriftlich oder über andere Kommunikationswege zu informieren. Dazu würde es nämlich gehören, dass die Klägerin in der Lage ist, die nach dem für sie fremden Recht entscheidungserheblichen Tatsachen zu erkennen, um nicht Gefahr zu laufen, dem Prozessbevollmächtigten die für die Entscheidung und Prozessführung wesentlichen Umstände unvollständig mitzuteilen.

Die geltend gemachten Reisekosten sind in der Höhe nicht zu beanstanden.

2. Zu den erstattungsfähigen Kosten gehören im Streitfall ferner die Testkaufkosten. Die Kostentragungspflicht nach § 91 Abs. 1 ZPO umfasst neben den reinen Prozesskosten, wie den Gebühren und Auslagen nach dem GKG bzw. BRAGO, auch Vorbereitungskosten, die eine Partei vor- oder außerprozessual in Bezug auf einen möglichen oder geführten Rechtsstreit aufgewendet hat. Sie sind erstattungsfähig, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren und eine verständige Partei sie bei der konkreten prozessualen Situation als sachdienlich ansehen konnte; notwendig sind vor allem Kosten, ohne di...

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