Leitsatz (amtlich)
Bei deutschem Güterrechtsstatut und iranischem Erbstatut findet der pauschalierte Zugewinnausgleich statt. Das gilt auch dann, wenn die Erbquote der Witwe wegen des ordre public erhöht wird.
Normenkette
EGBGB Art. 6, 15; BGB § 1371 Abs. 1
Verfahrensgang
AG München (Beschluss vom 12.12.2011; Aktenzeichen 69 VI 3926/10) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des AG München -Nachlassgericht - vom 12.12.2011 aufgehoben.
II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 17.600 EUR festgesetzt.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der kinderlose Erblasser ist im März 2010 in München verstorben. Er war iranischer Staatsangehöriger schiitischer Religionszugehörigkeit und lebte seit 1967 in Deutschland. Die Beteiligte zu 1 ist seine Ehefrau. Sie ist seit Geburt deutsche Staatsangehörige. Seit der Eheschließung, die 1978 in Tönder/Dänemark erfolgte, lebten die Ehegatten in München. Einen Ehevertrag haben sie nicht geschlossen. Die Beteiligte zu 1 ist wie der Erblasser Muslimin. Die Beteiligten zu 2 bis 8 sind die Brüder und Schwestern des Erblassers; seine Eltern sind vorverstorben. Der Beteiligte zu 2 wohnt in Deutschland, die Beteiligten zu 3-8 leben im Iran.
Der Nachlass besteht aus Guthaben bei deutschen Banken i.H.v. rund 42.000 EUR und der Abfindung für die Anteile des Erblassers an einer GmbH mit Sitz in München. Der Reinnachlasswert beträgt rund 70.500 EUR. Unbewegliches Vermögen ist nicht vorhanden; im Iran hatte der Erblasser kein Vermögen.
Es liegt ein handschriftliches gemeinschaftliches Testament vom 27.11.1996 vor, das von der Ehefrau geschrieben und von beiden Ehegatten unterschrieben wurde. Darin setzen sich beide gegenseitig als Alleinerben ein. Das Testament wurde von beiden Ehegatten gemeinsam beim Nachlassgericht in besondere amtliche Verwahrung gegeben.
Die Beteiligte zu 1 hat zunächst beantragt, ihr einen Alleinerbschein aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments zu erteilen. Mit Schriftsatz vom 26.8.2010 hat sie den Antrag dahin abgeändert, dass sie Miterbin zu 3/4 sei und das restliche Viertel unter die Geschwister des Erblassers nach islamischem Recht aufzuteilen sei. Die Beteiligten zu 2 bis 8 haben die Erbschaft angenommen. Das AG hat mit Beschluss vom 12.12.2011 den Antrag der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen mit der Begründung, diese sei Miterbin nur zu 1/2 neben den Geschwistern des Erblassers geworden. Anzuwenden sei iranisches Recht, nach dem nicht wirksam testamentarisch verfügt werden könne. Es sei gesetzliche Erbfolge eingetreten; die Erbquote der Ehefrau betrage 1/4. Diese erhöhe sich nach § 1371 Abs. 1 BGB um 1/4, da deutsches Güterrecht anwendbar sei. Damit belaufe sich die Erbquote der Beteiligten zu 1 auf 1/2, was der Erbquote entspreche, die dem Erblasser beim Tod seiner Ehefrau nach iranischem Recht zugestanden hätte. Eine nochmalige Erhöhung der Erbquote aufgrund des ordre public sei nicht angezeigt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1, die darauf verweist, dass die gleichheitswidrige Erbquote nach iranischem Recht nicht durch den pauschalierten Zugewinnausgleich nach deutschem Güterrecht ausgeglichen werde, der dem Ehemann zusätzlich zu seiner nach iranischem Erbrecht doppelt so hohen Erbquote ebenfalls zugestanden hätte.
II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.
1. Maßgeblich für die Erbfolge ist das iranische Recht, da der Erblasser ausschließlich iranischer Staatsangehöriger war (Art. 3 Nr. 2 EGBGB i.V.m. Art. 8 Abs. 3 des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens).
Nach dem iranischen Recht ist eine Erbeinsetzung durch Testament nicht möglich; der Erblasser kann nur im Wege des Vermächtnisses über höchstens 1/3 des Nachlasses testamentarisch verfügen. Die Erbfolge wird deshalb allein durch die Vorschriften des iranischen Zivilgesetzbuches bestimmt (im Folgenden zitiert nach Yassari in: Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht, Länderteil Iran, Bearbeitungsstand 1.1.2002; zu Art. 946 ZGB in der Fassung vom 11.3.2009 vgl. Yassari RabelsZ 2009, S. 985/998; Krüger IPrax 2009, 375). Hat der Erblasser - wie hier - keine Kinder hinterlassen, erbt die Witwe ein Viertel des beweglichen Vermögens und ein Viertel vom Wert des unbeweglichen Vermögens (Art. 913 Satz 2, Art. 900 Nr. 2 ZGB, Art. 946 ZGB i.d.F. v. 11.3.2009). Der Ehemann erbt im gleichen Fall von allen Gütern der Ehefrau die Hälfte (Art. 913 Satz 2, Art. 899 Nr. 1, 946 ZGB).
Die Beteiligte zu 1 erbt folglich nach den Vorschriften des iranischen Rechts ein Viertel des Nachlasses. Dem deutschen Ehemann einer kinderlosen iranischen Ehefrau stünde hingegen die Hälfte des Nachlasses zu.
2. Das iranische Recht bleibt allerdings nach Art. 6 EGBGB insoweit unangewendet, als es der Beteiligten zu 1 nur die Hälfte dessen zuspricht, was bei sonst gleichem Sachverhalt ein Mann beanspruchen könnte, denn dieses Ergebnis der Anwendung iranischen Erbrechts auf den hier zu entscheidenden Fall ist mit dem im Grundgesetz veran...