Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesunterhalt: Gesteigerte Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind. Pflicht zum Abbruch des Studiums des gesteigert unterhaltspflichtigen Elternteils
Leitsatz (amtlich)
Im Falle einer gesteigerten Erwerbsobliegenheit kann der Vater eines Kindes sich nicht darauf berufen, ein Studium zu absolvieren, wenn er bereits eine Lehre erfolgreich beendet hat, selbst wenn das Studium auf der Lehre aufbaut.
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 2 S. 1; UVG § 7 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Mühldorf a. Inn (Beschluss vom 27.09.2011) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Endbeschluss des AG Mühldorf vom 27.9.2011 wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
4. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf EUR 2.317 festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller macht gegen den Antragsgegner aus übergegangenem Recht nach § 7 Abs. 1 UVG rückständigen Kindesunterhalt für die Zeit vom 1.9.2007 bis 31.7.2009 i.H.v. EUR 2.317 geltend.
Der Antragsgegner ist der leibliche Vater des am 7.8.2004 geborenen Kindes Celina S. Der Antragsgegner war und ist mit der Mutter des Kindes nicht verheiratet.
Der Antragsteller gewährte dem Kind im oben genannten Zeitraum Leistungen nach dem UVG. Mit Schreiben vom 3.9.2007 und 28.9.2007 wurde der Antragsgegner über die Zahlungen von Leistungen nach dem UVG und seine Inanspruchnahme in Kenntnis gesetzt.
Der Antragsgegner hatte mit der Mutter des Kindes am 27.7.2009 einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, wonach die Parteien sich einig waren, dass Unterhaltsrückstände bis zum 31.7.2009 nicht bestehen. Ab 1.8.2009 hat er sich zu laufenden Unterhaltszahlungen verpflichtet.
Der Antragsteller hat für das Kind 16 Monate jeweils EUR 125 und sieben Monate jeweils EUR117 erbracht. Getilgt worden sind EUR 502,00.
Der Antragsgegner hatte die Real- und Fachoberschule absolviert und die fachgebundene Hochschulreife erworben. Zur Vorbereitung auf ein Studium hat er bis zum 30.4.2007 eine Lehre als Netzwerktechniker absolviert und anschließend Zivildienst geleistet. Im September 2007 ist er arbeitslos gewesen und hat Arbeitslosengeld i.H.v. EUR 425,10 bezogen. In der ersten Instanz hat er unbestritten vorgetragen, dass er am 1.10.2007 ein Studium der Informatik aufgenommen hat, das er mit dem Abschluss als Bachelor beenden möchte. Ferner hat der Antragsgegner in der ersten Instanz unbestritten vorgetragen, dass er Leistungen nach dem BAföG i.H.v. EUR 567 erhalte. Neben seinem Studium arbeitet der Antragsgegner seit 1.12.2007 in einem Therapiezentrum in T.; hierfür erhält er einen monatlichen Lohn von EUR 300 für eine monatliche durchschnittliche Arbeitszeit von 37,5 Stunden. Der Antragsgegner fährt von seinem Wohnort in Mühldorf bzw. von seinem Studienort in München nach T. mit dem Auto und macht hierfür Fahrtkosten i.H.v. durchschnittlich EUR 139 geltend.
Der Antragsteller hat gemeint, der Antragsgegner sei für den übergegangenen Unterhaltsrückstand leistungsunfähig. Er sei gegenüber dem Kind gesteigert unterhaltspflichtig und müsse alle verfügbaren Mittel für den Unterhalt des Kindes einsetzen. Auf Grund der bezogenen Leistungen nach dem BAföG und seines Nebenverdienstes sei der Antragsgegner unter Wahrung seines Selbstbehalts in der Lage, EUR 125 bzw. EUR 117 Kindesunterhalt zu zahlen.
Der Antragsteller hat beantragt, den Antragsgegner zur Zahlung von rückständigem Kindesunterhalt i.H.v. EUR 2.317 an den Antragsteller zu verpflichten.
Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er hat behauptet, für den Kindesunterhalt nicht leistungsfähig zu sein. Er habe nach Beendigung seiner Lehre ein Studium aufnehmen dürfen. Lehre und Studium seien eine einheitliche Erstausbildung. Auf Grund der Lehre sei er in der Lage, das Studium in 7 Semestern zu absolvieren, da wegen der Lehre zwei Praxissemester entfielen. Im Jahre 2002-2006 habe es für Fachinformatiker keine Stellenangebote im Raume Mühldorf und Freising gegeben. Die meisten Angebote verlangten Berufserfahrung, insbesondere seien Ingenieure mit abgeschlossenem Studium gesucht worden. Als Berufsanfänger hätte er maximal ein monatliches Einkommen von EUR 1.500 erzielen können. Er habe seiner Verpflichtung zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit dadurch ausreichend Rechnung getragen, indem er einer Nebentätigkeit nachgegangen sei.
Das AG Mühldorf erließ gegen den Antragsgegner im Termin vom 1.3.2010 ein Versäumnisbeschluss, mit dem der Antragsgegner zur Zahlung von EUR 2.317 an den Antragsteller verpflichtet wurde.
Nachdem der Antragsgegner gegen den ihm am 7.4.2010 zugestellten Versäumnisbeschluss am 21.4.2010 Einspruch eingelegt hat, hat er ergänzend vorgetragen, nicht leistungsfähig zu sein, weil sein Selbstbehalt von EUR 900 nicht gewahrt sei. Seine Einkünfte nach dem BAföG und aus seinem Nebenverdienst lägen unter dem Selbstbehalt. Neben seinem Studium könne er nicht mehr arbeiten, ohne sein Studium zu vernachlässigen.
Mit Endbesch...