Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsmittelverfahren als Patentstreitsache; Gebühren im Ordnungsmittelverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Das an eine Verurteilung wegen Patentverletzung anschließende Ordnungsmittelverfahren nach § 890 ZPO ist Patentstreitsache i.S.d. § 143 Abs. 1 PatG, denn die im Erkenntnisverfahren anerkannte Notwendigkeit einer besonderen Sachkunde der Parteivertreter setzt sich regelmäßig im Vollstreckungsverfahren fort. Die obsiegende Partei kann daher auch die im Ordnungsmittelverfahren durch die Mitwirkung eines Patentanwalts angefallenen Kosten in der von § 143 Abs. 3 PatG (vormals § 143 Abs. 5 PatG) bestimmten Höhe vom Gegner ersetzt verlangen.
2. Werden im Ordnungsmittelverfahren nach § 890 ZPO mehrere unterschiedliche Verstöße gegen das gerichtliche Verbot gerügt, fallen die Rechts- und Patentanwaltsgebühren nach § 57 Abs. 1 BRAGO nicht einmal aus dem Gesamtstreitwert an, sondern jeweils aus dem Streitwert der einzelnen beanstandeten Verstöße.
Normenkette
BRAGO §§ 31, 57-58; PatG § 143 Abs. 5
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 08.02.2005; Aktenzeichen 7 O 14788/03) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG München I vom 8.2.2005, Az. 7 O 14788/03 dahin gehend abgeändert, dass die von den Beklagten zu gleichen Teilen an die Klägerin zu erstattenden Kosten im Wege der nachfolgenden Ausgleichung gem. § 106 ZPO auf 51.886,93 EUR, verzinslich mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 9.9.2004, festgesetzt werden.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin 37 %, die Beklagten haben 63 % zu tragen.
III. Der Beschwerdewert wird auf 2.428,72 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Im Ausgangsverfahren vor dem LG München I hatte die Verfügungsklägerin (im Folgenden: die Klägerin) am 11.8.2003 im Beschlusswege eine einstweilige Verfügung gegen die Verfügungsbeklagten (im Folgenden: die Beklagten) erwirkt, wonach diesen unter Androhung von Ordnungsmitteln antragsgemäß verboten worden war, im Inland als patentverletzend erachtete Gangschaltungen herzustellen bzw. herstellen zu lassen, anzubieten etc. Die Beschlussverfügung war der Beklagten zu 2) am 22.8.2003, der Beklagten zu 1) am 28.8.2003 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 28.8.2003 hatte die Klägerin sodann die Verhängung eines empfindlichen Ordnungsgeldes gegen die Beklagten beantragt, da diese am 28.8.2003 auf der Messe "Eurobike 2003" in Friedrichshafen nach wie vor Prospektkataloge mit der patentverletzenden Gangschaltung (Anlage OG 4) verbreitet hätten. Einen zweiten Ordnungsmittelantrag vom 8.9.2003 hatte die Klägerin auf die Internet-Website der Beklagten gestützt, wo unter http://www.s...24.com/techdoc/deutsch/consumers/mtb/triggershifterse.html Informationen zur Montage der streitgegenständlichen Schaltungen angeboten würden. Mit weiterem Ordnungsmittelantrag vom 19.9.2003 hatte sie schließlich zwei zusätzliche Verstöße gegen das gerichtliche Verbot in Form der neuerlichen Verteilung des Prospekts gem. Anlage OG 4 auf der Messe "IFMA" in Köln vom 11. bis 13.9.2003 sowie eines am 4.9.2003 stattgehabten Verkaufs der angegriffenen Gangschaltung durch eine Fa. Radsport H. gerügt.
Auf den Widerspruch der Beklagten vom 26.8.2003 hin hatte das LG die Beschlussverfügung mit Urteil vom 13.11.2003 im Hinblick auf ernstliche Zweifel an der Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatents mangels Glaubhaftmachung eines Verfügungsanspruchs aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen. In dem gegen diese Entscheidung gerichteten Berufungsverfahren vor dem Senat haben die Parteien im Termin vom 15.7.2004 unter Einbeziehung des im Verfügungsverfahren eingeleiteten Bestrafungsverfahrens sowie des parallelen Hauptsacheverfahrens (Az. 7 O 16492/03 bzw. 6 U 2813/04) einen Gesamtvergleich geschlossen. Nach dessen Ziff. 6. (Bl. 313 d.A.) sind die Kosten aller "gegenständlichen Verfahren (Hauptsacheverfahren, einstweiliges Verfügungsverfahren und Ordnungsgeldverfahren)" einschließlich derjenigen des Vergleichs zu 20 % von der Klägerin sowie zu jeweils 40 % von den Beklagten zu tragen.
Der Streitwert des Verfügungsverfahrens erster Instanz war mit Beschluss vom 11.8.2003 mit 750.000 EUR, in zweiter Instanz am 15.7.2004 mit 900.000 EUR (Bl. 314 d.A.) bemessen worden. Für den Gesamtvergleich hat der Senat mit Beschluss vom 7.1.2005 (Bl. 360) einen Streitwert von 2.050.000 EUR bestimmt, wobei auf Verfügungs- und Hauptsacheverfahren jeweils 900.000 EUR, auf das Bestrafungsverfahren betreffend die Ordnungsgeldanträge vom 28.8.2003, 10.9.2003 und vom 19.9.2003 250.000 EUR entfielen.
Auf der Basis der von der Klägerin eingereichten Kostenanträge, nämlich dreier das Bestrafungsverfahren betreffender Anträge vom 8.9.2004 (Bl. 325-336), teils korrigiert unter dem 13.1.2005 (Bl. 363), sowie der (die erst- und zweitinstanzlichen Kosten des Verfügungsverfahrens betreffenden) Anträge vom 7.9.2004 (Bl. 317 ff., 32...