Entscheidungsstichwort (Thema)
Europäischer Vollstreckungstitel
Leitsatz (amtlich)
1. Art. 1 Abs. 1 Buchstabe d) EuVTVO etabliert bei gegen einen Verbraucher ergangenen Versäumnisentscheidungen ein eigenständiges Schutzsystem dergestalt, dass gegen ihn nur in seinem Wohnsitzstaat ergangene Säumnisentscheidungen als Europäische Vollstreckungstitel bestätigt werden können.
2. Für den Fall, dass ein für beide Seiten nichtunternehmerisches Geschäft vorliegt, d.h. ein sog. C2C-Geschäft, findet die besondere Bestätigungsvoraussetzung des Art. 6 Abs. 1 Buchstabe d) EuVTVO jedoch keine Anwendung (vgl. EuGH vom 05.12.2013 - C-508/12).
Normenkette
ZPO § 1080 Abs. 2, §§ 724, 567 Abs. 1; EuVTVO Art. 6 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 02.10.2015; Aktenzeichen 26 O 17641/14) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des LG München I vom 02.10.2015, Az: 26 O 17641/14, aufgehoben und wird die Rechtspflegerin am LG München I angewiesen, das Versäumnisurteil vom 10.03.2015 und den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 04.08.2015 als Europäischen Vollstreckungstitel zu bestätigen.
Gründe
I. Der Kläger hat gegen den Beklagten am 10.03.2015 ein Versäumnisurteil erstritten und beantragte die Erteilung einer Bestätigung als Europäische Vollstreckungstitel bezüglich des Versäumnisurteils und des Kostenfestsetzungsbeschlusses.
Die Rechtspflegerin am LG München I hat durch Beschluss vom 02.10.2015 den Antrag zurückgewiesen, weil sie die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Bestätigung nicht als vorliegend ansah. Nach ihrer Auffassung handelt es sich um eine Verbraucherangelegenheit, der Beklagte/Schuldner habe zum Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung seinen Wohnsitz nicht im Ursprungsmitgliedstaat gehabt, so dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel nicht vorliegen.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers, der seinen Antrag, Versäumnisurteil und Kostenfestsetzungsbeschluss als Europäischen Vollstreckungstitel auszufertigen, weiterverfolgt. Er verweist darauf, dass die Klageforderung bereits mittels Auslandsmahnbescheids geltend gemacht worden sei und mitgeteilt worden sei, dass der Schuldner kein Verbraucher sei. Auch aus der Tatsache, dass für die Klageforderung Verzugszinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz beansprucht und zuerkannt worden seien, sei zu schließen, dass der Antragsgegner kein Verbraucher sei.
Das LG hat durch Beschluss vom 16.10.2015 der sofortigen Beschwerde des Klägers nicht abgeholfen. Es hielt an seiner Auffassung, wonach die Nutzung einer Kreditkarte für private Zwecke, wie sie der Kläger vortragen ließ, eine Nutzung als Verbraucher darstelle, fest.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde des Klägers, §§ 1080 Abs. 2, 724, 567 Abs. 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG (Zöller, ZPO, 31. Auflage, § 724 Rdnr. 13), erweist sich in der Sache als erfolgreich.
Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 EuVTVO liegen vor, es liegen unbestrittene Forderungen vor, die Entscheidungen sind im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar (Art. 6 Abs. 1a)) und Bedenken gegen das Vorliegen der Voraussetzungen in Art. 6b) und c) bestehen nicht. Zu Recht hat das LG vorliegend bei der Frage, ob der Antrag des Klägers begründet ist, die Voraussetzungen des Art. 6d) (EG) Nr. 805/2004 (EuVTVO) geprüft und eine gegen einen Verbraucher ergangene Versäumnisentscheidung angenommen. Bei der Frage, ob der Beklagte/Schuldner als Verbraucher zu qualifizieren ist, kommt es maßgeblich auf die Anspruchsbegründung des Klägers an, mithin darauf, auf welchen Lebenssachverhalt er seine Ansprüche stützt. Der Kläger hat nach eigenem Vortrag dem Beklagten "ca. im Juli 2000 eine American Express Platinum Zweitkarte ... mit der Maßgabe überreicht, dass der Beklagte nur für private Zwecke und nur bis zu einem monatlichen Höchstbetrag von 1.000,00 DM nutzen dürfe". Mit seiner Klage machte der Kläger Ansprüche gegen den Beklagten in Höhe von 16.685,71 Euro geltend, die er damit begründete, dass der Beklagte abredewidrig am 14. und 15.09.2000 in Prag die Karte 15 mal einsetzte, um Telefone und hochwertige Kleidung einzukaufen. Hierdurch sei er, der Kläger, vorsätzlich durch den Beklagten geschädigt. Der Senat teilt die Auffassung des Erstgerichts, wonach aus dem Klägervortrag selbst zu entnehmen ist, dass die Überlassung der Kreditkarte an den Beklagten ein Verbrauchergeschäft darstellt. Anhaltspunkte dafür, dass die Überlassung der Kreditkarte und die dieser zu Grunde liegende Vereinbarung sowohl auf Seiten des Klägers als auch auf Seiten des Beklagen im Rahmen einer gewerblichen oder selbständigen Tätigkeit erfolgten, ergeben sich aus dem Klägervortrag nicht. Allein die Tatsache, dass der Kläger gem. § 288 Abs. 2 BGB a.F. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz beantragte und im Versäumnisurteil auch zugesprochen bekam, ist nicht geeignet, einen Beleg dafür zu geben, dass der Beklagte kein Verbraucher war. Gleiches gilt im H...