Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung einer Teilungserklärung, nach der "Teileigentumseinheiten...zu beliebigen gewerblichen Zwecken verwendet werden" dürfen, im Hinblick auf die Frage der baulichen Veränderung.
Normenkette
BGB § 1004 Abs. 1; WEG § 22 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Augsburg (Beschluss vom 24.04.2006; Aktenzeichen 7 T 473/06) |
AG Augsburg (Aktenzeichen 3 UR II 192/05) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des LG Augsburg vom 24.4.2006 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin trägt die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin ist Teileigentümerin in einer Wohnanlage, die von der Antragstellerin verwaltet wird. Diese macht in Verfahrensstandschaft für die Wohnungseigentümer gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Beseitigung eines Abluftrohres geltend.
In der Teileigentumseinheit der Antragsgegnerin wird eine Cocktailbar geführt, für deren Betrieb im Sommer 2003 im rückwärtigen Hofbereich des Anwesens an der Außenfassade ein Abluftrohr angebracht wurde, das bis über das Dach hinausreicht. Zur Nutzung des Teileigentums als Gewerbeeinheit ist in der Teilungserklärung vom 14.2.1989 unter § 1 Abs. 2 auszugsweise folgende Regelung getroffen:
"Die Teileigentumseinheiten dürfen... bezüglich der Einheit Nr. 49 zu beliebigen gewerblichen Zwecken verwendet werden (Angaben im Aufteilungsplan sind insoweit nicht verbindlich). Dem oder den Eigentümern der Teileigentumseinheit Nr. 49 ist das Anbringen von Reklame-Einrichtungen und Firmenschildern auf dem Grundstück oder dem Haus mit Zustimmung des Verwalters gestattet."
Die übrigen Wohnungseigentümer, deren Zustimmung zur Anbringung des Abluftrohrs nicht eingeholt worden war, beschlossen in der Wohnungseigentümerversammlung vom 4.11.2003 mehrheitlich, die Verwaltung zu ermächtigen, "unter Einschaltung eines Rechtsanwalts gerichtlich und außergerichtlich im eigenen Namen für die Entfernung des Rohrs zu sorgen".
Dieser Beschluss blieb unangefochten.
Durch Beschluss vom 27.12.2005 hat das AG dem Beseitigungsantrag stattgegeben. Das LG hat die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin durch Beschluss vom 24.4.2006 zurückgewiesen. Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt die Antragsgegnerin weiter ihren Antrag auf Abweisung.
II. Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das LG hat ausgeführt:
Die Verwalterin könne im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft die Beseitigung des Abluftrohres nach § 1004 BGB, §§ 22 Abs. 1 S. 2, 14 Nr. 1 WEG verlangen, da dieses eine bauliche Veränderung darstelle, die den optischen Gesamteindruck des Gebäudes nachhaltig beeinträchtige.
2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung im vollen Umfang stand.
a) Das LG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin berechtigt ist, in Verfahrensstandschaft tätig zu werden.
Es kann hier dahingestellt bleiben, ob Beseitigungsansprüche nach § 1004 BGB den einzelnen Wohnungseigentümern allein oder unter Umständen auch der Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband sui generis zustehen können, da jedenfalls die Verwalterin durch bestandskräftigen Eigentümerbeschluss vom 4.11.2003 wirksam ermächtigt wurde, den Beseitigungsanspruch im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen. Das für die gewillkürte Verfahrensstandschaft neben der Ermächtigung erforderliche eigene schutzwürdige Interesse des Verfahrensstandschafters ergibt sich aus der Pflicht der Verwalterin, ihre Aufgaben ordnungsgemäß und reibungslos zu erfüllen (BGHZ 73, 302 [307]; Niedenführ/Schulze, WEG, 7. Aufl., vor §§ 43 ff. Rz. 76 f.).
b) Ebenfalls zutreffend hat das LG angenommen, dass die Antragsgegnerin als (zumindest mittelbare) Handlungsstörerin in Anspruch genommen werden kann, da sie im Zeitpunkt der Baumaßnahme eingetragene Eigentümerin war (Niedenführ/Schulze, WEG, 7. Aufl., § 22 Rz. 46, m.w.N.).
c) Die Anbringung des Abluftrohrs stellt des Weiteren ohne Zweifel eine bauliche Veränderung nach § 22 Abs. 1 WEG dar, da sie einen auf Dauer angelegten gegenständlichen Eingriff in die Substanz des gemeinschaftlichen Eigentums bildet, der nicht mehr der Pflege, Erhaltung oder Bewahrung des gegenwärtigen Zustandes oder seiner erstmaligen Herstellung dient, sondern einen neuen Zustand schafft (BayObLG v. 21.11.1989 - BReg.2 Z 123/89, BayObLGZ 1989, 437 [438]).
Zwar gilt § 22 WEG nicht für Baumaßnahmen, die sich aus der Zweckbestimmung des Hauses oder der Teilungserklärung ergeben oder erkennbar sind (BayObLG WE 1995, 344). Dies bedeutet aber nicht, dass die ursprünglich im Plan vorgesehene Ausstattung eines Anwesens unbegrenzt verändert werden kann, wenn sich aus der Teilungserklärung ergibt, dass die Gewerbeeinheiten, wie hier, grundsätzlich zu beliebigen gewerblichen Zwecken verwendet werden dürfen.
Wie bei allen Grundbucheintragungen kommt es bei der Auslegung der Teilungserklärung, d...