Leitsatz (amtlich)
1. Zur Anwendung des Art. 83 Abs. 3 EuErbVO auf die Bindungswirkung eines Erbvertrages im unionsrechtlichen Sinne.
2. Zur Reichweite der Bindungswirkung einer wechselbezüglichen Verfügung unter Berücksichtigung der EuErbVO und des österreichischen ABGB.
Normenkette
BGB § 2270; EuErbVO Art. 83 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Rosenheim (Aktenzeichen VI 55/16) |
Tenor
1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Rosenheim - Abteilung für Nachlasssachen - vom 02.07.2018 wird zurückgewiesen.
2. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf EUR 486.872,64 festgesetzt.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der Erblasser und seine am 16.08.2012 vorverstorbene Ehefrau waren österreichische Staatsangehörige, hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu Lebzeiten aber in Deutschland. Die Beschwerdeführerin ist das einzige gemeinsame Kind der Ehegatten.
Am 19.12.1996 errichteten die Eheleute vor dem Notar Dr. xxx in xxx ein gemeinschaftliches Testament. In diesem Testament hieß es unter Ziffer I. unter anderem:
"Wir vereinbaren hiermit vorsorglich, für den Fall unseres Ablebens, die Anwendung deutschen Rechtes."
Im Übrigen setzte der Erblasser in diesem Testament seine Ehefrau zur Alleinerbin ein, während diese ihn als von den Beschränkungen der §§ 2113 ff. BGB befreiten Vorerben einsetzte. Zur Nach- und Schlusserbin bestimmten sie die Beschwerdeführerin. Ziffer II.4. des Testaments lautet auszugsweise:
"Der Überlebende von uns beiden ist berechtigt, die vorstehende Erbfolge der Ehegatten, auch die Nacherbfolge [...] sowie die Ersatzerbfolge nach dem überlebenden Teil insoweit abzuändern als er zugunsten unserer gemeinschaftlichen Abkömmlinge (Kinder, Enkelkinder usw.) neue Verfügungen von Todes wegen trifft [...]. Ausgeschlossen sind Verfügungen von Todes wegen zugunsten Dritter, die nicht unsere gemeinschaftlichen Abkömmlinge sind. Gemeinsame Abkömmlinge sind nur xxx oder weitere gemeinsame Abkömmlinge und deren Kinder.
Das Testament enthält in Ziffer III. außerdem einen Belehrungsvermerk hinsichtlich der "bei einem gemeinschaftlichen Testament eintretenden Bindungen" und in Ziffer IV. wird "eine Anfechtung dieses Testaments nach dem § 2079 BGB" ausgeschlossen.
Am 05.06.2015 errichtete der Erblasser vor dem Notar xxx in xxx ein weiteres Testament. In diesem wählte der Erblasser "für die Erbfolge vorsorglich das österreichische Erbrecht". In Ziffer I. dieses Testamentes heißt es außerdem:
"Vorsorglich widerrufe ich alle etwa von mir errichteten Verfügungen von Todes wegen, soweit gesetzlich zulässig. Insbesondere widerrufe ich alle Verfügungen in dem vorgenannten Ehegattentestament sowie die dort enthaltene Rechtswahl zu Gunsten des deutschen Rechts, soweit gesetzlich zulässig."
In dem Testament vom 05.06.2015 setzte der Erblasser außerdem die Beteiligte xxx als Alleinerbin, höchst vorsorglich als Erbin zur höchst zulässigen Quote ein.
Der Erblasser verstarb am 30.12.2015.
Am 30.03.2016 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, einen sie als Alleinerbin ausweisenden Erbschein auszustellen. Der beantragte Erbschein wurde am 30.03.2016 erteilt.
Am 11.05.2018 beantrage die Beteiligte xxx die Einziehung dieses Erbscheins und die Erteilung eines Erbscheins, nach dem sie mit Ausnahme des in Deutschland belegenen unbeweglichen Vermögens Alleinerbin geworden sei.
Mit Beschluss vom 02.07.2018 hat das Nachlassgericht den Erbschein vom 30.03.2016 eingezogen und die zur Erteilung eines Erbscheins nach Maßgabe des Antrags der Beteiligten xxx vom 11.05.2018 erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Zur Begründung führt das Nachlassgericht aus, dass auf die Rechtsnachfolge nach dem Erblasser österreichisches Recht Anwendung finde, weil die Rechtswahl im gemeinschaftlichen Testament vom 19.12.1996 nur hinsichtlich des in Deutschland belegenen, unbeweglichen Vermögens wirksam gewesen und in diesem Umfang durch die neue Rechtswahl im Testament vom 05.06.2015 widerrufen worden sei. Nach österreichischem Erbrecht entfalte das gemeinschaftliche Testament vom 19.12.1996 keine der Alleinerbeneinsetzung der Beteiligten xxx entgegenstehende Bindungswirkung. Die hinsichtlich des in Deutschland belegenen, unbeweglichen Vermögens wegen der entsprechenden Rechtswahl nach deutschem Recht bereits eingetretene Bindungswirkung werde durch den Widerruf der Rechtswahl aber nicht berührt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde.
II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Nachlassgericht hat zu Recht den am 30.03.2016 erteilten Erbschein eingezogen und die zur Erteilung eines neuen Erbscheines nach Maßgabe des Antrags der Beteiligten xxx vom 11.05.2018 erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.
Der erteilte Erbschein ist nämlich unrichtig, während der Erbscheinsantrag vom 11.05.2018 der materiellen Rechtslage entspricht, weil die Beschwerdeführerin Alleinerbin des Erblassers nur hinsichtlich des in Deutschland belegenen, unbeweglichen Vermögens ist, während im Wege der Nachlassspaltung i...