Leitsatz (amtlich)
1. Zur Verfahrens- und Geschäftsfähigkeit unter Betreuung stehender Beteiligter im Grundbuchverfahren.
2. Es gilt der Erfahrungssatz, dass die Geschäftsfähigkeit die Regel und die Geschäftsunfähigkeit die Ausnahme ist. Es müssen daher hinreichende Tatsachen vorliegen - die sich auch aus Umständen außerhalb der vorgelegten Eintragungsunterlagen ergeben können -, die ernsthafte Zweifel wecken, wie etwa das Vorliegen eines Gutachtens, das Geschäftsunfähigkeit für einen Zeitraum vor der fraglichen Verfügung bestätigt hat. Diese können durch ein (weiteres) Gutachten zerstreut werden, wobei der volle Nachweis der Geschäftsfähigkeit jedoch nicht geführt zu werden braucht (Anschluss an BayObLGZ 1989, 111).
Normenkette
GBO § 18 Abs. 1, §§ 19-20
Verfahrensgang
AG Traunstein (Aktenzeichen SS-466-44) |
Tenor
Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 1 bis 3 wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Traunstein - Grundbuchamt - vom 23.9.2014 aufgehoben.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 3 ist als Erbbauberechtigte im Grundbuch eingetragen. Das Erbbaurecht ist - unter anderem - mit einem Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht für die Beteiligte zu 4, die Mutter der Beteiligten zu 3, belastet (Abt. II/10).
Die Beteiligten zu 3 und 4 stehen unter Betreuung.
Mit notarieller Urkunde vom 25.7.2013 verkaufte die Beteiligte zu 3 das Erbbaurecht an die Beteiligten zu 1 und 2 zu Miteigentum zu gleichen Anteilen und erklärte die Auflassung, die ausdrücklich eine Bewilligung nicht enthielt. Am 10.3.2014 bewilligte die Beteiligte zu 4 die Löschung des zu ihren Gunsten eingetragenen Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts.
Mit Schreiben vom 3.6.2014 und 7.7.2014 beantragte der Notar den Vollzug des Kaufvertrags und übergab dazu neben der Löschungsbewilligung der Beteiligten zu 4 auch eine von ihm in Vollmacht abgegebene Eintragungsbewilligung. Nach Einsicht in die Betreuungsakten erließ das Grundbuchamt am 23.9.2014 eine fristsetzende Zwischenverfügung, wonach Zweifel an der Geschäftsfähigkeit beider Betreuten bestünden und daher Zustimmungen des jeweiligen Betreuers der Beteiligten zu 3 und 4 zur Veräußerung des Erbbaurechts bzw. zur Löschung des Wohnungsrechts vorzulegen seien. Dagegen wenden sich die Beteiligten zu 1 und 2 mit ihrer Beschwerde vom 22.10.2014 und dem Antrag auf Eintragung, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat.
Mit Schreiben vom 14.11.2014 legte der Betreuer der Beteiligten zu 3 unter Beigabe einer Ablichtung seines Betreuerausweises ebenfalls Beschwerde gegen die Zwischenverfügung ein, da trotz der auf Wunsch der Beteiligten zu 3 eingerichteten Betreuung keine Zweifel an ihrer Geschäftsfähigkeit bestünden; das ergebe sich unter anderem aus den im Betreuungsverfahren vorliegenden Gutachten.
II. Die Beschwerden der Beteiligten zu 1, 2 und 3 gegen die Zwischenverfügung (§ 18 GBO) sind statthaft (§ 11 Abs. 1 RPflG mit § 71 Abs. 1 GBO). Als verlierender und gewinnender Teil des Grundstücksgeschäfts sind sie antrags- und somit auch beschwerdeberechtigt (§ 13 Abs. 1 Satz 2, § 71 Abs. 1 GBO; Demharter GBO 29. Aufl. § 71 Rn. 63). Die Verfahrenserklärung des Betreuers legt der Senat dahin aus, dass sie für die Beteiligte zu 3 als Betreute abgegeben ist. Diese kann das Rechtsmittel - auch wenn sie nach dem Beschwerdevortrag geschäftsfähig ist - durch den Betreuer, der unter anderem für die Aufgabenkreise der Haus- und Grundstücksangelegenheiten, der Vermögenssorge und der Vertretung gegenüber Behörden bestellt ist, einlegen (Hügel/Reetz GBO 2. Aufl. Rechtsgeschäftliche (Vollmacht) und gesetzliche Vertretung Rn. 193). Dass er im Widerspruch zum Willen der - hier unterstellt - geschäftsfähigen Betreuten gehandelt hätte, ist nicht erkennbar. Auch im Übrigen sind die Rechtsmittel zulässig (§ 73 GBO).
Die Beschwerden haben in der Sache Erfolg. Die Zwischenverfügung ist aufzuheben, da das Legalitätsprinzip einer Eintragung nicht entgegensteht. Sowohl von der Auflassungsbefugnis der Beteiligten zu 3 wie auch von der Verfahrensfähigkeit der Beteiligten zu 4 ist auszugehen, weil keine ernsthaften Zweifel an deren Geschäftsfähigkeit bestehen. Über den Eintragungsantrag selbst kann der Senat hingegen nicht entscheiden, weil er nicht Gegenstand der Beschwerde ist (Demharter § 77 Rn. 15).
1. Zutreffend geht das Grundbuchamt davon aus, dass es Eintragungen dann nicht vornehmen darf, wenn feststeht, dass das Grundbuch damit unrichtig würde oder sich der Rechtserwerb nur kraft guten Glaubens des Erwerbers vollziehen würde (BayObLG Rpfleger 1994, 453; OLG Karlsruhe Rpfleger 1998, 68/69). Die Frage der Geschäftsfähigkeit der Vertragsparteien ist vom Grundbuchamt zu prüfen. Wenn eine Auflassung eingetragen werden soll, ergibt sich dies aus § 20 GBO (BayObLGZ 1989, 111/112); geht es um die Löschungsbewilligung als verfahrensrechtliche Erklärung (§ 19 GBO), stellt sich die Frage, ob der Rechtsinhaber verfahrensfähig (vgl. § 9 FamFG) ist und selbst die Erklärung abgeben kann (vgl. Demharter § 19 Rn. 58 und § 1 Rn. 43 f.). Ergeben sich auf Tatsachen beruhend...