Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfolgreiche Streitwertbeschwerde bei einer Anfechtungsklage gegen Beschlüsse einer GmbH
Leitsatz (amtlich)
Eine analoge Anwendung der Streitwertobergrenzen des § 247 Abs. 1 Satz 2 AktG bei einer GmbH ist nicht veranlasst.
Normenkette
AktG § 247; GmbHG
Verfahrensgang
LG München II (Beschluss vom 19.12.2023; Aktenzeichen 1 HK O 3097/22) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beklagtenvertreters wird der Beschluss des Landgerichts München II vom 19.12.2023, Az. 1 HK O 3097/22, abgeändert. Der Streitwert wird auf 1.264.337,04 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Klägerin hat mit ihrer Klage mehrere Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten angefochten. Noch vor Beginn der mündlichen Verhandlung hat sie ihre Klage zurückgenommen. Mit Beschluss vom 19.12.2023 hat das Landgericht den Streitwert auf 211.292,80 EUR festgesetzt.
Gegen die Streitwertfestsetzung hat sich zunächst die Beklagte mit ihrer Beschwerde vom 21.12.2023 gewandt und eine Streitwertheraufsetzung begehrt. Diese Beschwerde wurde vom Senat mit Beschluss vom 05.03.2024 (Az. 23 W 164/24e) als unzulässig verworfen, weil die Partei durch einen zu niedrigen Streitwert nicht beschwert ist.
Nunmehr hat der Beklagtenvertreter mit Schriftsatz an das Landgericht vom 05.03.2024 Beschwerde gegen den Beschluss vom 21.12.2023 erhoben. Er begehrt Heraufsetzung des Streitwerts auf 2.112.927,98 EUR.
Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 14.05.2024 nicht abgeholfen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und auf die Entscheidungen des Landgerichts sowie des Senats Bezug genommen.
II. Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache teilweise Erfolg.
1. Zur Entscheidung ist der Senat in der Besetzung des § 122 Abs. 1 GVG berufen, da der angefochtene Beschluss durch den Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen gemäß § 349 ZPO nicht als Einzelrichter im Sinne von § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 6 Satz 1 HS 2 GKG getroffen worden ist (KG BeckRS 2016, 4641 Rn. 3).
2. Die Streitwertbeschwerde ist gem. § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere ist der Beschwerdeführer selbst - anders als die von ihm im Rechtsstreit vertretene Partei - im Falle einer zu niedrigen Streitwertfestsetzung beschwert, da seine Kostenerstattung. Soweit die Beschwerdegegnerin aus der Entscheidung OLG Stuttgart NJOZ 2014,948 weitere Voraussetzungen ableitet, geht das fehl; jene Entscheidung betraf eine ausnahmsweise zulässige Streitwertbeschwerde mit dem Ziel der Streitwertheraufsetzung der Partei (vertreten durch ihren Prozessvertreter) - vorliegend hat aber im zweiten Anlauf der Beklagtenvertreter im Schriftsatz vom 05.03.2024 ausdrücklich Beschwerde im eigenen Namen erhoben.
3. Die Beschwerde hat in der Sache nur teilweise Erfolg:
Der Wert der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage ist analog § 247 Abs. 1 Satz 1 AktG unter Berücksichtigung aller Umstände des einzelnen Falles, insbesondere der Bedeutung der Sache für beide Parteien und damit anhand der wirtschaftlichen Auswirkungen der Entscheidung zu bestimmen (BGH NZG 2009, 1438). Die persönliche Verbundenheit der Gesellschafter steht der analogen Anwendung des § 247 Abs. 1 AktG nicht entgegen, da die geltend gemachten Rechte allein auf der Stellung der Klägerin als Gesellschafterin beruhen (OLG München Beschl. v. 18.12.2007 - 7 W 1875/07, BeckRS 2008, 25354).
Vor diesem Hintergrund sind die Einzelstreitwerte der von der Klägerin anhängig gemachten Anträge wie folgt zu bewerten. Die Einzelstreitwerte sind gem. § 39 Abs. 1 GKG grundsätzlich zu addieren:
3.1. Klageanträge I.1, I.2, I.3 und I.5:
Bei der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gegen einen Beschluss zur Klageerhebung ist die beabsichtigte Klage maßgeblich (BGH Beschl. v. 21.4.2008 - II ZR 110/07, BeckRS 2008, 9425 Rn. 1).
Aus Sicht des Senats ist insofern nicht deswegen ein Abschlag gerechtfertigt, weil die angefochtenen Beschlüsse die Angelegenheit nicht auf Dauer, sondern nur bis zum nächsten Beschluss "regeln". Es mag sein, dass die Parteien heillos zerstritten sind und jegliche Beschlussfassung der Beklagten mit Ziel der Erhebung einer Zivilklage gegen die Klägerin angefochten wird, sodass im Falle eines klägerischen Erfolgs aus Sicht der Klägerin nur ein Etappenziel - bis zur nächsten Beschlussfassung über dasselbe Thema - erreicht werden kann. Dies nimmt dem Beschluss jedoch nicht seine konstitutive rechtliche Bedeutung gem. § 46 Nr. 8 GmbHG. Die Bedeutung des Rechtsstreits für beide Parteien wird dadurch manifest, dass im Falle einer rechtskräftigen Klageabweisung durch Sachurteil im Verhältnis der Parteien die Wirksamkeit des Beschlusses feststeht. Dann wäre der Weg zu einer Klage der Gesellschaft frei.
Die Anwendung der Streitwertobergrenzen des § 247 Abs. 1 Satz 2 AktG im Rahmen der analogen Anwendung auf die GmbH ist streitig und vom BGH bislang nicht entschieden (siehe Nachw. bei Karsten Schmidt/Bochmann in: Scholz, GmbHG, 12./13. Auflage 2021/20...